Stadtentwicklung Großstädte gewinnen junge Einwohner – Krefeld nicht
Immer weniger Bürger sind unter 30 Jahre alt – die Parteien sehen vor allem den Wohnungsmarkt als Ursache.
Nach einer aktuellen Studie des RWI-Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung ist die Stadt Krefeld ein Phänomen: Junge Leute kehren danach immer stärker dem Land (so zum Beispiel dem benachbarten Kreis Viersen) den Rücken und ziehen in die Großstädte. Ob Düsseldorf, Köln, Essen oder Mönchengladbach – sie alle konnten von diesem Trend profitieren. Nicht aber Krefeld: Die Stadt verlor im Zeitraum zwischen 2008 und 2014 1,4 Prozent der Einwohner zwischen 18 und 29 Jahren. Auch aktuellere Zahlen der Stadtverwaltung bestätigen diesen Trend: Die Zahl der Bürger zwischen 18 und 21 Jahren sank zwischen 2009 und 2018 um fast elf Prozent. 2018 waren noch 7306 Personen dieser Altersgruppe gemeldet.
Woran liegt es? Und wie groß soll die Stadt Krefeld in 20 oder 30 Jahren noch sein, wenn ihr die jungen Leute den Rücken kehren und die älteren allmählich sterben? Die Ratsfraktionen der Stadt Krefeld haben dazu unterschiedliche Vorstellungen.
Für die CDU erklärt Vorsitzender Philibert Reuters: „Krefeld hat in den vergangenen acht Jahren die Marktnachfrage nach Ein- und Zweifamilienhäusern kaum bedient. Umliegende Kommunen wie zum Beispiel Kempen, Tönisvorst oder Moers nutzten ihre Chance. Die Stadt muss zwingend von ihrer Verhinderungspolitik Abstand nehmen und vorhandene Potenziale konsequent nutzen.“
Ein gesunder Mix aus Innenstadtverdichtung und modernen Neubaugebieten, maßvoll und marktgerecht kreiert, werde Krefeld fit für die Zukunft machen. „Neue Mitbürgerinnen und Mitbürger wären in vielerlei Hinsicht ein Gewinn: Unter anderem blieben Gebühren, Steuern und Abgaben stabil, die städtische Infrastruktur käme endlich in Ordnung, die vielfältigen Kultur-, Sport- und Freizeitangebote könnten aufrechterhalten bleiben“, sagt Reuters. Wie stark Krefeld an Einwohnern wachsen soll? „So stark, wie die Marktnachfrage einerseits und Krefelds Angebote andererseits verträglich zueinander passen“, sagt der Fraktionsvorsitzende der CDU.
Die SPD-Fraktion, deren Vorsitzender Benedikt Winzen ist, hält dagegen fest, „dass Krefeld in seiner angemessenen Größe und Struktur als linksrheinisch gelegene Großstadt einen Attraktivitätsvorteil besitzt“. Ein Ziel der Krefelder Kommunalpolitik müsse es daher sein, diesen Vorteil weiter zu stärken und auszubauen. „Aus diesem und anderen Gründen ist es entscheidend, junge Menschen für ein Leben in Krefeld und für die Stadt zu begeistern.“
Hohe Familienfreundlichkeit, attraktives Freizeitangebot, vielfältige Möglichkeiten, sich aktiv in der Stadtgesellschaft einbringen zu können – das sind die Punkte, die aus SPD-Sicht für eine hohe Lebensqualität sorgen. „Wir werden daher unseren Weg, gezielt und verstärkt in die Sportinfrastruktur zu investieren, Kultureinrichtungen und die freie Kulturszene zu fördern, bürgerschaftliches Engagement zu unterstützen sowie den Krefeldern Räume zur Entwicklung zu geben, fortsetzen.“
Darüber hinaus gebe es selbstverständlich die „harten Fakten“, die mindestens genauso entscheidend für die Zukunft junger Menschen in Krefeld seien, so die SPD: Gute Arbeit und bezahlbarer Wohnraum. „Aus diesem Grund investieren wir erheblich in die städtische Infrastruktur.“
Krefeld müsse aber für alle Bürger attraktiv sein. „Die demografische Entwicklung stellt uns in dieser Frage speziell mit Blick auf die älteren Generationen vor neue Herausforderungen. Auch hier sind wir daher dabei, unter anderem mit dem Ausbau der Quartiersarbeit, die Weichen zu stellen.“
Die Grünen bleiben eine konkrete Antwort auf die Anfrage unserer Zeitung schuldig. Sie setzen bei dem Thema aber offenkundig völlig andere Schwerpunkte. Das hat sich schon im Sommer bei der Diskussion um mögliche neue Baugebiete gezeigt, die im Regionalplan festgeschrieben werden sollten, am Ende aber von allen Fraktionen abgelehnt wurden. Die Grünen hatten den Widerstand bei diesem Thema frühzeitig vorangetrieben.
Bei der aktuellen Diskussion um den Bebauungsplan „Am Wiesenhof“ betonte die Fraktionsvorsitzende Heidi Matthias: „Bei der Schaffung von neuem Wohnraum müssen wir wesentlich sensibler mit der Fläche umgehen als bisher und zukunftsfähige Konzepte für attraktives Wohnen entwickeln“.
Aktionsplan widmet sich der Frage nach jungen Zugezogenen
Eine Bebauung mit 70 Prozent Einfamilienhäusern sei passé. Es dürften nur dort Wohnungen gebaut werden, wo bereits Infrastruktur (Schule, Kita, Einzelhandel, Kultur, öffentlicher Nahverkehr) vorhanden ist, sagte Heidi Matthias. Eine reizvolle, nachhaltige Stadtarchitektur, die ökologische Aspekte mit berücksichtige und auf die Bedürfnisse der zukünftigen Bewohner eingehe, werde Siedlungen auf der grünen Wiese künftig verzichtbar und die Innenstadt auch für Familien mit Kindern attraktiver machen.
Im Rahmen des „Aktionsplans Wirtschaft“, den die Industrie- und Handelskammer, die Stadt und die Wirtschaftsförderung vor mehr als einem Jahr initiiert haben, ist die Frage, wie junge Menschen – und hier insbesondere Studenten – nach Krefeld geholt oder hier gehalten werden können, übrigens auch schon angesprochen worden. Eine Ist-Analyse hatte gezeigt, dass die meisten Studierenden der Hochschule Niederrhein die Stadt nach den Vorlesungen wieder verlassen. Die Arbeitsgruppe „Lebensqualität und Urbanität“ hat sich daher vorgenommen, das studentische Leben wieder sichtbarer zu machen und Studierende für Krefeld zu gewinnen. „Krefeld wird Studentenstadt“ lautet die Vision.
Christoph Borgmann, Einzelhändler und Sprecher der AG, hatte im Gespräch mit der Westdeutschen Zeitung vor Monaten erklärt: „Ich plädiere dafür, preiswerten und attraktiven Wohnraum für Studenten in der Innenstadt zu schaffen.“