Ostern ohne Kirchbesuch Ein Kreuzweg für die Hosentasche
Krefeld · Gläubige können den Leidensweg Christi bei einem Spaziergang nachempfinden.
Das höchste Fest der Christenheit steht bevor. Die Gläubigen feiern an Ostern die Wiederauferstehung Jesu. In den Tagen bis dahin, zwischen Palmsonntag und dem Karfreitag, können und wollen viele von ihnen auch seinen Leidensweg nachempfinden. Diese Rituale sind im religiösen Leben für manche unabdingbar. Doch die staatlich verordnete Kontaktsperre macht es nach wie vor unmöglich, zusammen in einer Gruppe oder im Gotteshaus dieser Passion Christi nachzugehen. Auslassen und Verzicht sei aber für viele Gläubige keine Alternative. So hat der Pastor und Mediator Andreas Ullrich eine Lösung gefunden.
Er hat den Kreuzweg, also den Leidensgang Jesu von seiner Verurteilung bis zu seinem späteren Tod am Kreuz, neu interpretiert und für das Nachempfinden unter freiem Himmel quasi aufgelegt. „Den Kreuzweg für die Hosentasche“ auf zwei DIN A4-Seiten zum Ausdrucken. „In dieser Zeit sind wir als Kirchen und Gemeinden auf der Suche, weiter Kontakt zu unseren Mitgliedern zu halten. Die Frage war: Wie kann man individuell den österlichen Weg gehen und wissen, dass man dennoch verbunden ist mit den Anderen?“ Ullrich, Pfarrer in der evangelischen Freikirche in Krefeld mit ihren etwa 110 Mitgliedern, hat neun Stationen in seine Hosentaschen-Version aufgenommen. Er hat einige gestrichen. Traditionell in der katholischen und anglikanischen Kirche verankert sind es eigentlich bis zu 14. Längst aber haben auch die Protestanten den Kreuzweg adaptiert: „Besonders in der katholischen und anglikanischen Kirche hat er seinen festen Platz. Aber auch evangelische Christen wissen um seine Stärke“, sagt Ullrich. Die Grenzen aus Sicht der Menschen zwischen Katholizismus und Protestantismus seien überhaupt nicht mehr so strikt gezogen, meint der Pfarrer.
In seiner Anleitung, die es dazu gibt, schreibt er noch über den genauen Umgang: „Überlegt Euch, welchen Fußweg Ihr wählen könnt. Er sollte so lang sein, dass Ihr ihn in neun Abschnitten einteilen könnt, zwischen den jeweils ein Fußweg von mindestens drei bis fünf Minuten liegt.“ Zumal solle man auf dem Kreuzweg möglichst ungestört sein. Ruhe, Sammlung, Stille – dabei Verzicht auf allgemeine Gespräche, dafür aber die Konzentration auf die Gebete und Passionsberichte. Eine Bibel oder ein Neues Testament seien dringend mitzuführen. An den jeweiligen Stationen solle man erst einmal kräftig durchatmen, die Bibeltexte und Begleittexte lesen, Gebete sprechen und dann weiterpilgern. „Im Zentrum der Karwoche steht, den Leidensweg nachzuempfinden, abzuschreiten und zu verinnerlichen, mit dem eigenen Leben in Beziehung zu bringen“, sagt der Pastor.
Als Vorschrift aber will Andreas Ullrich seine Version nicht verstanden wissen. Eine Inspiration, mehr nicht: „Ihr könnt ihn so übernehmen wie er ist oder ihn als Anregung nehmen, Eure eigene österliche Kreativität entfalten. Ganz, wie Ihr möchtet.“ Neue Zeiten, neue Lösungen in vielen Branchen. So lässt sich der „Kreuzweg für die Hosentasche“ auch als Innovation für die christlichen Kirchen deuten: „Die Pandemie hat manche Gemeinden in Turbogeschwindigkeit ins 21. Jahrhundert gebracht“, sagt Andreas Ullrich. Die neun Stationen hat er selbst zusammengestellt: Die Verurteilung zum Tod, Jesus nimmt das Kreuz auf seine Schultern, Simon von Kyrene hilft ihm, es zu tragen. An der vierten Station begegnet Jesus den weinenden Frauen, am nächsten Ort wird er seiner Kleider beraubt. An Station sechs wird er ans Kreuz genagelt, an sieben verstirbt er. An den letzten beiden Stationen wird er vom Kreuz genommen und schließlich ins Grab gelegt. Ob Spaziergang oder auf dem Rad durch die Landschaft – das überlässt Ullrich den Gläubigen.