Trauer Ein Foto als letzte Erinnerung
Krefeld · Katja Hausmanns lichtet ehrenamtlich Sternenkinder ab – Babys, die kurz vor, während oder nach der Geburt gestorben sind.
Nicht mit jeder Schwangerschaft beginnt ein neues Leben. Sternenkinder nennt man die Babys, die kurz vor, während oder nach der Geburt sterben. Neben der Erinnerung ist ein Foto oft alles, was den Eltern am Ende von ihrem Kind bleibt. Fotografiert werden Sternenkinder immer häufiger von professionellen Fotografen, die diese Aufgabe ehrenamtlich übernehmen. Katja Hausmanns aus Krefeld ist einer dieser Menschen. Seit Dezember 2017 gehört sie zu der rund 600 Fotografen starken Initiative „Dein Sternenkind“, und macht ehrenamtlich die ersten und letzten Aufnahmen dieser besonderen Kinder. Eine Aufgabe, die ihr einiges abverlangt, aber noch mehr zurück gibt.
Dass es Fotografen gibt, die Sternenkinder ehrenamtlich fotografieren, habe sie schon länger gewusst. „Ich habe mich bloß nie so richtig damit beschäftigt und wäre auch nicht bereit dazu gewesen, als meine Kinder noch jünger waren“, sagt die Mutter von zwei Kindern im Alter von acht und elf Jahren. 2017 sei sie dann in dem sozialen Netzwerk Facebook über die Seite der Initiative gestolpert.
Hausmanns, die immer schon ehrenamtlich aktiv war, habe gewusst, dass die Sternenkind-Fotografie zu ihr passe. Gut zwei Wochen nach ihrer Anmeldung habe sie dann auch gleich den ersten Auftrag bekommen. „Der war natürlich total schrecklich, weil ich gar nicht wusste, was mich erwartet“, sagt die Krefelderin. Sie sei zwar vorbereitet gewesen, dass Babys nicht immer aussehen, als würden sie schlafen, aber was genau sie erwartet, wie die Situation mit den Eltern sein würde, und auch, wie sie selbst reagieren würde, habe sie nicht gewusst. „Am Anfang habe ich mir schon Sorgen gemacht, was das Ganze mit mir anstellt“, sagt sie. Doch mit der Zeit werde das äußere Konstrukt, also das Vorher und das Nachher, leichter. „Jetzt stelle ich mir die Frage gar nicht mehr, was mit mir ist. Mittlerweile mache ich mir nur noch Gedanken, wie ich die Situation für die Eltern gut schaffe. Ich bin dabei die unwichtigste Person.“
Kommt es dazu, dass Hausmanns’ Dienste benötigt werden, erreicht sie per Mail oder über eine App ein sogenannter Call, in dem in großen Buchstaben geschrieben steht: „Du wirst gebraucht.“ Und genau so sieht die 38-Jährige ihre Rolle in dieser sensiblen Angelegenheit. Hausmanns wird gebraucht, um die ohnehin schon unfassbare Situation für Eltern ein bisschen besser zu machen. Oft bemerke sie, dass nicht nur ihre technischen Fertigkeiten benötigt werden. „Ich hatte das Gefühl, dass ich als Mensch gebraucht werde“, sagt sie. Denn zwischen emotional betroffenen Angehörigen und dem Krankenhauspersonal, das berufsbedingt professionell handelt, ist Hausmanns eine neutrale Person, die Trost spenden kann und Halt gibt. „Natürlich berührt mich das sehr, aber ich denke mir oft, dass ich gar kein Recht habe, jetzt in Tränen auszubrechen. Es ist ja das Schicksal der Eltern und ihnen möchte ich in dieser Situation eine Stütze sein und etwas Gutes tun.“
Dass ihr das offenbar gelingt, erfährt sie durch die große Dankbarkeit, die ihr von den betroffenen Eltern entgegengebracht wird. Oft bleibt der Kontakt auch dann noch bestehen, wenn die Fotos die Eltern längst erreicht haben. „Es ist wie im normalen Leben auch, zu den einen hat man direkt einen super Draht, als würde man sich schon lang kennen, bei anderen ist es eher neutral.“ In einem Fall war es sogar so, dass sie ein Elternpaar gar nicht kennengelernt hat, weil diese lediglich Fotos von ihrem Kind haben wollten.
In der Regel agiere Hausmanns als „stille Beobachterin“ und schieße die Fotos eher beiläufig, sagt sie. Dabei werde nichts groß in Szene gesetzt oder arrangiert. „Natürlich zupfe ich schon mal eine Decke über entblößte Beine, wenn ich glaube, die Mutter würde es so wollen, hat bloß gerade nicht den Kopf dafür, aber das kommentiere ich dann nicht“, sagt sie. „Wenn ich allein bin mit dem Kind, dann habe ich die Möglichkeit, das Baby in ein schönes Tuch zu legen oder ähnliches.“ Haben die Eltern Wünsche, werden diese natürlich berücksichtigt.
Die Stimmung im Raum sei meistens ruhig, manchmal fast schon besinnlich, sagt die 38-Jährige. „Ich bin oft erstaunt, wie gefasst die Eltern sind, aber ich denke, dass sie sich noch in einem Schockzustand befinden und erst realisieren müssen, was passiert ist.“ Andere wüssten bereits einige Zeit vor der Geburt, dass ihr Kind nicht überleben wird und können sich so schon länger damit auseinandersetzen. In einem Fall habe eine Mutter, die wusste, dass sie ihr Baby nicht lebend austragen wird, Hausmanns sogar darum gebeten, Fotos von ihr vor der Geburt zu machen. „Sie hatte überhaupt keine Bilder von ihrem Babybauch, also habe ich Fotos vor der Entbindung gemacht, und dann eben danach.“ Hausmanns habe es sehr berührt, wie positiv die Mutter in dieser schwierigen Situation gewesen sei. „Mir gibt das oft auch ganz viel. Zu sehen, wie stark diese Mütter sind.“ Sternenkinder zu fotografieren, sei nichts, was Hausmanns deprimiere. „Es bestärkt mich darin, wie wichtig das Leben ist, wie wichtig es ist, dass ich zwei gesunde Kinder habe und wie dankbar ich für all das sein kann.“