Mit Menschen von hier und woanders Theater macht Fremde zu guten Freunden

Krefeld · Das Stück „Gute Menschen Ware Liebe Fragen“ von Tutti insieme feiert am Samstag Premiere. Der Krefelder Flüchtlingsrat hatte die Idee dazu

Das Bühnenbild im Südbahnhof ist schlicht und doch eindringlich: Wie viel passt in eine einzelne Holzkiste - auf der Flucht? Regisseur Helmut Wenderoth (l.) und Elisabeth Völlings (Vorsitzende des Flüchtlingsrates (r.) mit den Laienschaupielerinnen Lioba Littke-Alves und Maryam Gheiji (v.l.).

Foto: Ja/Jochmann, Dirk (dj)

Brücken bauen – im Großen wie im Kleinen – will der Flüchtlingsrat in Kooperation mit dem Werkhaus mit „Tutti insieme“, dem neuem Theaterprojekt mit Menschen von hier und woanders. „Wir sind total stolz so kurz vor der Premiere des gemeinsam erarbeiteten Theaterstücks ‚Gute Menschen Ware Liebe Fragen’“, sagt die Vorsitzende Elisabeth Völlings. Seit der Vorstellung der Idee und den ersten Proben im Juli ist unter der Spielleitung und Regie von Helmut Wenderoth und Britta Weyers sehr vieles entstanden: Zwischenmenschliches, Verbindendes und Mutmachendes – und ein neues Theaterstück. Ganz im Sinne von Berthold Brecht, während des Hitler-Regimes selber ein Geflüchteter, der mit seinem Theaterstück „Der gute Mensch von Sezuan“ die Idee für das Projekt des Krefelder Flüchtlingsrates lieferte.

„Wir haben mit unserem Theaterstück ‚Gute Menschen Ware Liebe Fragen‘ versucht, herauszufinden, ob, wo und wie man heutzutage noch gut sein kann“, erzählt Helmut Wenderoth. Dass in dem abgewandelten Titel statt des Adjektivs „wahre“ das Substantiv „(die) Ware“ steht, ist kein Schreibfehler. Die Ware (im Sinne von Konsum und Kapital) hat im Leben vieler Menschen das Wahre verdrängt.

Wahre Begegnungen sind hingegen bei den wöchentlichen Proben im Südbahnhof entstanden. „Dieses Projekt ist etwas ganz Besonderes“, sagt die Regisseurin Britta Weyers, die mit Wenderoth „eine tiefe künstlerische Freundschaft“ verbindet. 17 Schauspielerinnen und Schauspieler, davon neun mit internationaler Familiengeschichte beziehungsweise Fluchtbiografie und acht mit deutscher Staatsangehörigkeit, die schon lange in Krefeld leben, haben gemeinsam das Stück in vielen kleinen Schritten erarbeitet. Das ist auch deshalb etwas Besonderes, weil die Teilnehmenden insgesamt sieben verschiedene Sprachen sprechen.

„Deshalb haben wir zum einen ein Abonnement bei Pons abgeschlossen, um die Texte in die jeweilige Sprache übersetzen zu können“, berichtet Wenderoth. „Zum anderen haben wir viele Körperübungen ohne Sprache gemacht“, erzählt Weyers. Das habe alle zu einer echten Theatergruppe zusammengeschweißt.

„Es werden keine Opfer-Storys erzählt von geflüchteten Menschen, aber auch nichts verschwiegen“, hatte Wenderoth schon im Sommer betont. Maryam, eine junge Iranerin und in ihrer Heimat einst Journalistin, ist eine der Laienschauspielerinnen, die sich selbst spielt und in Persisch sprechen wird, in einem Bühnenbild aus lauter Holzkisten. „Zwangsmigration und ein Koffer“, das beschreibe ihr Leben. Doch gleichzeitig gebe ihr die Poesie Kraft und einen neuen Blick. Ihre Augen leuchten dabei.

Auch für Wenderoth, den erfahrenen Theatermacher, ist dieses Projekt in einer Zeit der politischen Narrative „Flüchtlinge müssen abgewehrt und abgeschreckt werden“ wie ein „Labor für Zuversicht“. Angesichts von Multikrisen in der Welt finden bei dem Theaterprojekt unterschiedliche Menschen zueinander. „Die 17 Schauspielerinnen und Schauspieler haben sich kennen- und schätzen gelernt“, fügt Völlings hinzu. Ganz im Sinne von „tutti insieme“ – alle zusammen. Und die Zuversicht werde auch am Ende des Stücks den wichtigsten Platz einnehmen.

Am 26. Oktober hat das Stück im Südbahnhof um 19 Uhr Premiere. Und es soll nicht die Letzte bleiben. „Tutti insieme“ soll nach Wunsch aller ein festes Theaterensemble werden. „Deshalb hoffen wir auch künftig auf Spender und Sponsoren“, so Völlings.