Ausgehen Wie Gastronomen in Krefeld schlechtem Wetter, Personalmangel und Inflation trotzen
Krefeld · Keine Gastronomie in Krefeld hat laut Dehoga wegen der Mehrwertsteueranhebung schließen müssen. Die Leute gehen weiterhin essen, sparen aber beim Nachtisch
Die gute Nachricht direkt zu Beginn: Keine Gastronomie in Krefeld hat wegen der Wiedereinführung der 19-prozentigen Mehrwertsteuer schließen müssen. Dabei hatte nicht nur Antonios Arabatzis, Sprecher des Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga) in Krefeld und langjähriger Gleumes-Wirt, zum Ende letzten Jahres Schlimmes für die Branche in diesem Jahr befürchtet. Von den mehr als 100 Mitgliedsbetrieben in Krefeld hatten sich knapp 96 Prozent zu einer Preiserhöhung bei ihren Speisen gezwungen gesehen. Darüber hinaus sind die Herausforderungen für die Gastronomen derzeit groß: allgemeine Kostensteigerungen allerorts, Personalmangel, neue Großgastronomien im Stadtgebiet und dann noch eine kühle und regenreiche Europameisterschaft im eigenen Land.
Gäste verzichten häufiger jetzt auf Vorspeise oder Nachtisch
„Die Leute wollen ausgehen, Unterhaltung haben, die Gäste bleiben nicht aus“, sagen Arabatzis wie auch Anne Furth vom Nordbahnhof erleichtert. Aber sie konsumierten weniger. „Mal wird die Vorspeise ausgelassen, mal der Nachtisch – und statt drei Stunden bleiben Gäste in der Regel nur noch zwei Stunden, und trinken dann auch weniger“, schildert der Gleumes-Wirt aus Gesprächen mit Verbandsmitgliedern. Die zwölfprozentige Erhöhung der Mehrwertsteuer auf nunmehr wieder 19 Prozent, habe er nicht auf seine Preise drauf geschlagen, sondern nur sechs Prozent. „Ansonsten wäre das zu viel geworden. Darauf muss man als Wirt auch achten, sonst kommen die Leute nicht mehr.“
Das Argentinische Rindfleisch zu 30 Euro hat er schon 2022 von der Karte genommen. Zu teuer. Dabei haben sich seit Mitte 2023 die Fleischpreise landesweit nach einer Hochzeit wieder auf Normalniveau eingependelt. Auf Wunsch von Kunden habe er - wie viele Wirte - vegane Gerichte zusätzlich mit aufgenommen. Doch ob das immer am Preis oder vielmehr am gestiegen Umwelt- und Ernährungsbewusstsein liegt, vermag er nicht zu sagen.
„Manche Gastronomen haben bei ihren Preiserhöhungen übertrieben“, meint Anne Furth. Man müsse auch die „Kirche im Dorf lassen““ und sich zu allererst fragen, „will man ein volles Haus haben, dann steckt man bei der Marge zurück, oder will man immer diese Marge erreichen und verzichtet auf Gästezahlen.“ Das Preis-Leistungsverhältnis im Nordbahnhof sei sehr stabil geblieben, bei eher steigender Gästezahl.
Marcel Cruße vom Haus Wahlen in Hüls sieht das ähnlich. Er glaubt allerdings, dass sich die Gastronomen bei der Preisgestaltung inzwischen den „fairen Preisen nähern“. Da er zu Beginn des Jahres die Gastronomie am Hülser Markt übernommen hat, ist er direkt mit 19 Prozent Mehrwertsteuer gestartet. Preistreiber für ihn sind vielmehr die Dienstleistung und das Drumherum wie Strom- und Energiekosten. Wer gutes Personal für sich gewinnen möchte, müsse mehr zahlen als den Mindestlohn. Auch an den Tagen, wo nur wenige Gäste kommen oder gar der Außenbetrieb „ins Wasser fällt“.
Die kühlen und regenreichen Monate Mai, Juni und bislang Juli sorgen derzeit überall spürbar für Einnahme-Ausfälle. „Die Stadt verzichtet in diesem und dem kommenden Jahr weiterhin auf die Terrassen-Gebühren, dafür ein Dank an die Stadtverwaltung“, spricht Arabatzis aus, was viele seiner Kollegen denken. Das mache nicht jede Kommune. Das wären für ihn zwar nur 600 bis 700 Euro, und die Gebühr somit nicht so hoch, aber gut sei das dennoch.
Nachdem in den vergangenen drei Jahren – vor allem wegen der Corona-Lockdowns – gutes und eingearbeitetes Personal abgewandert sei und es im Service und in der Küche beim Nachwuchs mangelt, beobachten alle derzeit eine erfreuliche Entwicklung. „Für uns ist es kein Problem, Mitarbeiter zu finden, die sich bei den steigenden Lebenshaltungskosten als Aushilfe noch etwas abends hinzu verdienen wollen“, erzählt Anne Furth. Und auch Arabatzis merkt vor allem bei jungen Leuten „einen Schub“. 15 hätten in Krefeld eine Ausbildung allein im Bereich Küche begonnen. „Gastronomie hat wieder eine Zukunftsperspektive“, so der Dehoga-Sprecher.
Dafür müssten die Gastronomen aber auch etwas tun, betont Maren-Corinna Nasemann, IHK-Referentin Handel, Gastronomie und Tourismus. Neben dem Mindestlohn seien eine Krankenversicherung, zwischenmenschliche Töne, die Bereitschaft der Gastronomen auf unterschiedliche Schichten einzugehen sowie das Angebot, auch mal in der Saison ein freies Wochenende für Familie und Freunde zu haben, Pluspunkte, mit denen sie gute, neue Mitarbeiter gewinnen können.
Dass die neuen Groß-Gastronomien in Hüls an der B 9 und am Platz an der Alten Kirche eine „gefährliche Konkurrenz“ für die kleinere Gastronomie ist, glauben Arabatzis und Nasemann nicht. „Alles, was dafür sorgt, dass die Krefelder in Krefeld bleiben und hier ausgehen, ist gut für den Standort“, so Arabatzis. Und dass die Krefelder wie auch Gäste von außerhalb gerne wieder hier feiern, habe der Zuspruch bei „Eäte. Drenke. Danze“ und den Stadtfesten wunderbar gezeigt.