Ein Denkmal für das Unvorstellbare
Pit Therre lässt die Gerichtsprotokolle des Auschwitzprozesses verlesen — ein beeindruckender Abend im Theater am Marienplatz.
Krefeld. Dieses Stück ist keines. Das sagt schon der Untertitel — „Oratorium in 11 Gesängen“. „Die Ermittlung“ von Peter Weiss wurde am 19. Oktober 1965 gleichzeitig auf 15 west- und ostdeutschen Bühnen sowie in London uraufgeführt. Der Autor hat den ersten Frankfurter Auschwitzprozess verarbeitet, der im Dezember 1963 begann, vor 50 Jahren. Pit Therre hat das zum Anlass genommen, „Die Ermittlung“ auf den Spielplan des Theaters am Marienplatz (TAM) zu setzen.
Welches Theater sonst, wenn nicht das TAM? Das ist die falsche Frage. Dass das TAM das einzige Theater weit und breit zu sein scheint, das mit der Aufführung an den Prozess und damit auch an die Nazi-Gräuel erinnert, die zur Sprache kommen, kann nachdenklich stimmen.
Weiss lässt alle Angeklagten auftreten, die Aussagen von mehreren 100 Zeugen werden auf neun Sprecher verteilt. Er habe „ein Konzentrat“ geschaffen, schreibt Weiss. Eigener Zutaten hat er sich enthalten.
Die Bühne im TAM ist karg. Drei Tischen für den Richter, den Ankläger und den Verteidiger stehen zwei Tische für die Zeugen und Angeklagten gegenüber. Staatsanwalt, Verteidiger und Richter bleiben an ihren Positionen. Der Richter steht zwischen den Szenen auf, um an die Tafel hinter sich die Titel der Gesänge zu schreiben. Die Zeugen und Angeklagten treten aus den Zuschauerreihen auf. 19 Aktive sind beteiligt, das Kernensemble des TAM wurde dafür erweitert.
Das TAM nutzt eine Strichfassung, die Texte werden aus den Büchern gelesen. Jeder Aktive macht das nach seinen Möglichkeiten. Gespielt wird nicht — was sich auch verbieten würde.
Auschwitz war das größte Vernichtungslager der Nazis. Mindestens 1,1 Millionen Menschen wurden dort ermordet. In „Die Ermittlung“ kommt alles zur Sprache — der Massenmord in den Gaskammern, das Töten durch Misshandlung, medizinische Versuche. Das Unvorstellbare wird nüchtern referiert, auch die Ausflüchte der Täter bleiben einem nicht erspart. Das Oratorium leistet, was ein Denkmal nicht besser leisten könnte.
Termine: 13., 20. Dezember, 22 Uhr.