Eugen Ruge-Lesung: Der Blick aufs Private spiegelt die Geschichte

Eugen Ruge, Träger des Deutschen Buchpreises, kehrte für eine Lesung nach Krefeld zurück. Hunderte wollten ihn sehen.

Krefeld. „Es hat viel Arbeit gemacht, ein so dünnes Buch zu schreiben“, sagt Eugen Ruge. Er spricht über 426 Seiten. Ein dünnes Buch ist sein Roman „In Zeiten des abnehmenden Lichts“ damit eher nicht. Dann aber eben doch, bedenkt man, dass darin 50 Jahre deutscher Geschichte Platz finden. Der Gewinner des Deutschen Buchpreises 2011 stellte seinen Roman jetzt in der restlos ausverkauften Mediothek vor.

Helga Krall von der Mediothek und Wolfgang Behl vom Anderen Buchladen organisieren die gemeinsamen Lesungen. Sie lernten Ruge kennen, als er von 1989 bis 1995 in Krefeld lebte. Als sie im Frühjahr erfuhren, dass ein Roman von ihm erscheint, waren sie sich einig, ihn einzuladen. Da war noch nicht abzusehen, dass sie einen Star des Literaturbetriebs zu Gast haben würden.

Im Oktober erhielt Ruge dann den Deutschen Buchpreis, seit vier Wochen steht sein Roman auf Platz eins der Spiegel-Bestsellerliste. Der Rowohlt-Verlag hat die siebte Auflage gedruckt, und bis Ende des Jahres sollen 400 000 Exemplare verkauft sein.

Diese Erfolgsgeschichte trägt viele märchenhafte Züge. Der Roman ist ein Debüt, und der Debütant ist schon 57 Jahre alt. Der Stoff hat den Autor schon in seiner Krefelder Zeit beschäftigt, aber offenbar musste er an die 20 Jahre in ihm reifen, bis er einen Roman daraus machen konnte.

Und dann ist auch dies märchenhaft: Der Roman erzählt anhand der Geschicke einer Familie über vier Generationen den Untergang der DDR. Blickt aufs Private und spiegelt doch die große Geschichte. So etwas muss nicht gelingen, aber es gelingt beeindruckend.

In seiner Krefelder Zeit hat Ruge kurzfristig auch als Auslieferungsfahrer gearbeitet, erzählte er jetzt. Zunächst nebenbei hat der studierte Mathematiker an Theaterstücken geschrieben. Als Dramatiker hatte Ruge zwar dann schon Erfolg, bekannt geworden ist er dadurch aber nicht.

Die Fähigkeit des Dramatikers zu komprimieren habe ihm bei der Verdichtung des Romanstoffs geholfen, sagt Ruge. Eine weitere Mühe sei gewesen, das Buch so leicht lesbar zu machen, eine Mühe, die man dem Text im positiven Sinne nicht anmerkt.

Äußerst humorvoll gelingt etwa die Schilderung einer Weihnachtsfeier. Der Wunsch Irinas, die Ruge seiner Mutter nachempfunden hat, den familiären Zusammenhalt wenigstens an diesem Tag aufleben zu lassen, scheitert an den Brüchen zwischen den verschiedenen Generationen.