Indien — das Mekka für reiche Europäer

Zwei Manager müssen interkulturelle Kompetenz beweisen — ein unterhaltsamer Theaterabend zwischen Ayurveda und Bollywood.

Foto: Matthias Stutte

Krefeld. Alle wollen ins reiche Europa. Menschen aus Kriegs- und Krisengebieten, Menschen, die hungern, die verfolgt werden, die in ihren Heimatländern keine Zukunft mehr sehen — und Europa schottet sich ab. Migration ist in allen westlichen Gesellschaften ein Dauerthema. Was aber wäre, wenn man den Spieß umdreht, ein Land des „globalen Südens“ zum Mekka für Europäer erklärt. Das Stück „Indien jetzt“ tut genau das, schickt die Schauspieler Henrike Hahn und Ronny Tomiska auf den Prüfstand: Wären sie geeignet, in Indien zu arbeiten?

Die Studioproduktion des Stadttheaters feierte jetzt Premiere in der Fabrik Heeder. Regisseurin Sophia Stepf hat das Stück mit den Schauspielern erarbeitet. Entstanden ist eine lose Szenenfolge ohne durchgehende Handlung. Die Stimme der indischen Sängerin MD Pallavi hört man vom Band. Ihre Kommentare auf Deutsch und Englisch geben Struktur, führen die Akteure durch verschiedene Level des Auswahlverfahrens.

Hahn und Tomiska treten in der Uniform grauer Business-Anzüge auf. Das einzige Bühnenelement bilden zwei Wände aus silbern glänzenden Tabletts, gebaut im rechten Winkel zueinander (Ausstattung: Udo Hesse).

Zunächst präsentieren sich mehrere Bewerber. Nein, Dörthe wird ihre Yoga-Kenntnisse in Indien nicht vertiefen dürfen, und auch der Ingenieur Carsten, Spezialist für Abwasser, ist nicht vonnöten. Übrig bleiben Herr Mittelstett, Manager eines mittelständischen Unternehmens, und Frau Fischer, die die Textilkette „C & M“ vertritt. Beide wollen in Indien investieren.

Fortan geht’s um interkulturelle Kompetenz. Wie behandelt Herr Mittelstett den Klempner, der ihn ständig versetzt? Offenbar mit zu wenig Geduld. Und Frau Fischer lernt, dass sie mit ihrer realen Vita als geschiedene Frau ohne Kinder als moralisch zweifelhaft bewertet würde.

Von Ayurveda bis Yoga werden viele Indien-Klischees bemüht, Premierminister Narendra Modi wird — aus vermeintlich naiver Sicht der Inder - mit Hitler verglichen: „Wir brauchen jetzt auch jemand, der Ordnung schafft.“ Indische und europäische Perspektive wechseln häufig bei diesem Abend: Wo fangen da die Projektionen an, wo hören sie auf? Man kann sich als Zuschauer nie ganz sicher sein. Im günstigeren Fall werden einem die eigenen Vorurteile vor Augen geführt — oder?

Wenn die Schauspieler hüftschwingend den Bewegungscode der Bollywood-Filme erklären, wird’s sogar komisch, am Ende wird das Stück aber etwas unvermittelt zu Tode getanzt. Hahn und Tomiska tragen den Abend mit ihrer Wandlungsfähigkeit, die fast ganz ohne theatrale Posen auskommt.

Nächste Termine: 17.9., 4.10., 8.10., 15.10, 27.11. 13.12., 21.12.; Karten: Tel. 805 125