Kulturhafen: Künstler toben sich zwischen Ruinen aus
Das Werkhaus belebt mit dem Festival den Uerdinger Kulturhafen am Rhein.
Krefeld. Der Saxofonist Armin Küpper war im Programm gar nicht vorgesehen, er ist einfach mal vorbeigekommen. In den Ruinen der alten Margarinefabrik Howinol am Rhein musiziert er eine Zeitlang mit dem Vokalisten Frank Ebeling, dann ist er wieder weg. Doch nicht nur Zufälliges, auch Geplantes hat am Wochenende das Festival "Ton&Tun" im Uerdinger Kulturhafen geboten.
Überwiegend Künstler im Twen-Alter gestalten Musik, Theater, Lesungen, Videos und Installationen nach ihren Vorstellungen. Über weite Strecken sind sie auch selbst ihr bestes Publikum. Seit fünf Jahren nutzt das Werkhaus die ehemalige Fabrik "Holtz und Willemsen" für alternative Kulturarbeit.
Eigentümer Heinrich Yoksulian lässt sie gewähren und hilft, wenn die Industrieruinen mal wieder Sicherheitsfragen aufwerfen. Das ist auch für Peter Neumann vom Werkhaus ein wichtiger Punkt: "Feuerwehr und Bauordnung waren hier, die Auflagen sind erfüllt." Die grünen Schilder "Notausgang" und die Feuerlöscher passen nicht so recht in die Chaos-Atmosphäre.
Die Gestaltung des Festivals hat Neumann diesmal weitgehend dem Design-Studenten und Musiker Philipp Maike (26) von der Hochschule Niederrhein überlassen. Der führt Regie im grünen Försterloden mit Cord-Hut: "Das ist mein Outfit als Straßensänger, das habe ich bei der Caritas geangelt, genau richtig für unseren Kartoffelrock."
Sabine Kreuer und Susanne Kohlemann führen auf der Bühne unter dem Titel "Bewegte Worte" ein Stück mit gelesenem Text und Videoprojektion auf. Georg Hinterbach, sonst Musiker aus Nievenheim, hat vorher im Hof zwischen den alten Gemäuern Geschichten aus dem Leben seines Pseudonyms gelesen.
Vor den wilden Büschen rund um die Ruine sitzt Mathes Schweinberger, Zeichen-Dozent einiger Mitwirkender, und bringt mit schnellen schwarzen Kreidestrichen die "runde Ecke" mit dem Turm von Howinol aufs Papier. Zuschauern zeigt er ein Buch mit seinen Zeichnungen "Die Welt und ihre Rückseite".
Eine große Installation mit überdimensionaler Papp-Carrera-Bahn und Rennsimulator hat Malte Jehmlich von der Gruppe Sputnic aufgebaut, während seine Mitstreiter im Kaiser-Wilhelm-Museum den frühen Ruhm der Gruppe genießen.
Nebenan, vor zugigen, weil glaslosen Fenstern steht eine raumgreifende Installation: "Setzt die Segel" von Jan Tesche. Durch die Räume zieht plötzlich das Straßentheater "1-Euro-Ensemble", dann beginnt Dan Müller zu seiner Gitarre zu singen. Er hat immerhin Publikum an drei voll besetzten Biertischen.
Wie schnell ein Programm sich erweitern lässt, beweist Frank Ebeling, der einen Workshop "Circle Singing" angemeldet hat und flugs für Sonntag noch eine "Vokalution für Chor, Sequenzer und Publikum" mit dem Namen "Darwin 2009" anhängt.
Insgesamt 17 Programmpunkte weist der "Abholschein" diesmal aus, um dem "offenen Umschlagplatz für kulturelles Stückgut" gerecht zu werden. Den Ort zu finden, war anfangs was für Eingeweihte, hat sich aber seit dem Erfolg von "Rock in den Mai" herumgesprochen: "Vor allem der Nachtbus hilft uns, das Publikum zu halten", freut sich Peter Neumann, der den Kulturhafen Anfang Oktober erneut beleben möchte. Ma.