Pflanzen wuchern in Haus Lange

Martin Schwenk züchtet in seinem Atelier obskure Objekte. Das Material findet er im Baumarkt oder bei Chemiefirmen.

Krefeld. Was Hausherren gewöhnlich in Panik versetzt, sorgt in Krefelds bekanntester Villa bald für atemloses Staunen. Riesige Pflanzen wuchern dort, Knollen, Schwämme und ganze Bäume wachsen an den Wänden und aus dem Boden. Der Düsseldorfer Künstler Martin Schwenk verwandelt das Museum Haus Lange derzeit in ein Gewächshaus der Seltsamkeiten. Bis zur Eröffnung der Schau „Home Grown“ am 18. März soll alles zu Ende gediehen sein.

Schwenk, geboren 1960 in Bonn und Meisterschüler bei Nagelkünstler Günther Uecker, ist kein Gärtner. Im Gegenteil, er muss die Natur während der Arbeit sogar aus seinem Blickfeld verbannen: „Dann müsste ich ja mit ihr konkurrieren.“ In seinem Atelier, das wohl eher einem Forschungslabor gleicht, zieht er aus Gips und Kunststoffen seine eigenen obskuren Pflanzen heran.

Das Material für seine Experimente findet Schwenk in Baumärkten oder bei Chemiefirmen. Letztere wundern sich zwar über den unorthodoxen Kunden, der dieses oder jenes Spezialgranulat nicht tonnenweise bestellt, sondern nur im 50-Kilo-Sack, aber sie helfen gern weiter.

Schwenk erforscht das Material, häufig auf der Suche nach einem „Zwischenzustand“, in dem er es nach seinen Vorstellungen formen kann: „Zur Gestaltung habe ich oft nur 30 Sekunden Zeit.“ Dabei folgt Schwenk weder einer Zeichnung noch einem inneren Plan: „Ich habe meist nur eine Vorstellung von der Größe und Atmosphäre der Arbeit.“

Während er seine Werke anfangs noch in Vitrinen stellte, die man so ähnlich auch in einem Naturkundemuseum finden könnte, lässt er sie inzwischen längst in den Raum hinein wachsen. Sie scheinen nach dem Betrachter zu greifen oder stellen sich ihm in den Weg. Obwohl sie meist keiner realen Pflanze gleichen, bleiben sie stets als biologische Formen wahrnehmbar. Die künstlichen Kreationen der chemischen Industrie erhalten ein zweites Leben als Laune der Natur.

Im großzügigen, lichten Ambiente der Villa entfalten diese Arbeiten eine teils magische Wirkung, zumal durch die großen Fenster der reale Garten stets im Blickfeld bleibt. Die Frühlingsblüte wird diesen zauberhaften Effekt sicher noch verstärken.

Die Faszination entsteht vor allem aus den fragileren Arbeiten, die wirken wie in die Welt geworfen. Ihre Fremdartigkeit fehlt den groben Bäumen aus PU-Schaum, doch auch sie sind einzigartige Erzeugnisse aus einer „Alchimistenküche“, wie Museumschef Martin Hentschel formuliert. Der Künstler selbst bemüht lieber die wissenschaftliche Gegenwart, um seine Methoden zu beschreiben: „Ich war mal im Max-Planck-Institut für Grundlagenforschung. Da arbeiten sie ganz ähnlich.“