Premiere: Bravorufe für einen großen Opernabend

Einfühlsam und mitreißend erzählt Regisseur Francois De Carpentries in „Manon“ die tragische Geschichte einer jungen Frau.

Foto: Matthias Stutte

Krefeld. Eine lebenshungrige junge Frau, die über ihr Leben selbst bestimmen möchte und daran tragisch scheitert. Eine Geschichte von zeitloser Aktualität erzählt der 1731 erschiene Roman „Manon Lescaut“ von Abbé Prévost. Jules Massenet benutzte den Stoff für seine Oper „Manon“, die 1884 in Paris uraufgeführt wurde.

Im Theater hat das Werk jetzt in einer umjubelten Inszenierung von Francois De Carpentries Premiere gefeiert. Obwohl der Regisseur und sein Team (Bühne: Siegfried E. Mayer, Kostüme: Karine Van Hercke) das Stück optisch im 18. Jahrhundert belassen, berührt die Geschichte von der ersten Minute an.

Da ist zunächst die wunderbare Musik, deren Vielschichtigkeit zwischen Melodramatik und Lyrik die Niederrheinischen Sinfoniker unter Generalmusikdirektor Mihkel Kütson facettenreich interpretieren. Die Sänger werden dabei nie überdeckt, sondern mitgetragen. So entsteht ein wunderschön differenziertes Klangbild, in das der Zuhörer mit Vergnügen eintauchen kann.

Ein besonderes Merkmal des Regisseurs ist seine einfühlsame Personenregie, die das Ensemble exzellent umsetzt. Perfekt besetzt ist die Titelpartie mit Sophie Witte. Die junge Sopranistin ist mit ihrer zarten Figur und mädchenhaften Ausstrahlung schon optisch eine ideale Manon. Von großer Strahlkraft ist ihre Stimme, die scheinbar mühelos von dramatischen zu lyrischen Passagen wechselt.

Als noch etwas unsicheres, aber auch neugieriges Mädchen tritt sie zu Beginn vor den noch geschlossenen Vorhang. Perfekt verkörpert sie später die verführerische Frau, die ihre Liebe zu dem Adeligen Des Grieux (Michael Siemon) für ihre Vergnügungssucht opfert. Der Verlockung, „sich ein Leben lang zu amüsieren“, erliegt sie bereits in der ersten Szene, als sie mit der reichen, dekadenten Welt des Adels konfrontiert wird.

Der Regisseur erzählt diese Geschichte aus der Perspektive Manons, betont dabei auch die theatralischen Aspekte. Dazu zählt das eindrucksvolle Bühnenbild, das aus beweglichen weißgoldenen Elementen besteht, die mit ihren Säulen und Verzierungen an Palastarchitektur erinnern. So verändert sich ständig das Bild: Von der Poststation über den Prachtboulevard bis hin zum Kirchenraum ist es eine Welt, in der Manon nie Halt findet, sondern langsam ihrem Ende entgegentaumelt.

Erst am Schluss, wenn sie alles verloren hat, ist die Bühne leer. Übrig geblieben ist der Horizont mit kaltem Mondlicht und düsteren Wolken, ein Bild, das an Caspar David Friedrich erinnert.

Vor dieser trostlosen Kulisse spielt sich die berührende Sterbeszene ab, in der Manon zu spät die ehrliche Liebe Des Grieuxs erkennt. Zu den stärksten Momenten des Abends zählt die Szene in der Kirche, wenn sich der zum Priesteramt entschlossene Des Grieux von Manon erneut verführen lässt. Michael Siemon, der im ersten Teil noch etwas verhalten agiert, wächst hier stimmlich und darstellerisch über sich hinaus.

Eine wunderbare Charakterstudie zwischen Lächerlichkeit und Tragik zeigt Walter Planté als erfolgloser Verehrer Guillot. Rafael Bruck verkörpert sehr glaubhaft den zwischen Moral und Spielsucht zerrissenen Cousin von Manon. Andrew Nolen (Brétigny), Matthias Wippich (Graf des Grieux) sowie Debra Hays, Gabriela Kuhn und Charlotte Reese als optisch sehr reizvolles Kokotten-Trio runden das fabelhafte Ensemble eindrucksvoll ab.

Große darstellerische Präsenz zeigt auch der Chor, der in stilvolles Weiß gekleidet, die vom Geld korrumpierte dekadente Gesellschaft verkörpert. Mit Bravorufen und stehenden Ovationen feierte das Publikum einen großen Opernabend.