Premiere: Hedda — das ewige Rätsel
Effektvoll und präzise inszeniert Jens Pesel die Tragödie seiner eiskalten Heldin. Doch ihr Schicksal lässt seltsam unberührt.
Krefeld. Was für ein schöner Tod. Gerade noch erklingt Bach auf dem Klavier, dann ein Pistolenschuss — und ein großer roter Vorhang stürzt herab. In der Premiere von Henrik Ibsens „Hedda Gabler“ am Stadttheater ist der Selbstmord der Titelheldin als effektvolle Inszenierung zu erleben, der Tod als letzte destruktive Konsequenz eines Lebens, das aus Langeweile und einer großen inneren Leere bestand. Auch 120 Jahre nach der Uraufführung des Stücks ist Hedda ein zutiefst rätselhafter Charakter geblieben.
Jens Pesel siedelt seine Inszenierung in den 1920er Jahren an und lässt Esther Keil als äußerlich moderne Frau auftreten, stets rauchend, mit elegantem Kurzhaarschnitt, in Hosen gekleidet.
Dazu passt das Ambiente, ein sparsam möbliertes, schickes Wohnzimmer im Stil Mies van der Rohes. Heddas von Tradition geprägte Vergangenheit ist allerdings in einem großen Gemälde sichtbar, das ihren Vater, einen General, stets präsent sein lässt (Bühne: Siegfried E. Mayer).
Trotz ihrer Heirat mit Jörgen Tesman (Christopher Wintgens) legt Hedda ihren Mädchennamen nie wirklich ab. Das spiegelt sich nicht nur im Titel des Stücks, sondern auch in den Dialogen wider. So spricht vor allem Heddas alter Verehrer Eilert Lövborg (Adrian Linke) sie immer wieder mit diesem Namen an.
Dass sie einst nicht den Mut hatte, sich mit dem labilen Schriftsteller einzulassen und stattdessen mit dem kleinbürgerlichen Wissenschaftler Tesman eine vermeintlich sichere Existenz gewählt hat, wird zum grundlegenden Konflikt.
Dass ausgerechnet ihre Schulfreundin Thea Elvsted (Marianne Kittel) einen positiven Einfluss auf Lövborg hat, kann Hedda nicht ertragen. Eiskalt zerstört sie die Beziehung der beiden, verbrennt Lövborgs Manuskript und fordert ihn mit der Pistole ihres Vaters zum Selbstmord auf. Dass der Dichter dann unter ungeklärten Umständen ums Leben kommt, enttäuscht sie zutiefst.
Präzise wie ein Uhrwerk läuft das Stück in meist kammerspielartigem Ton ab. Blicke und kleine Gesten spielen eine wichtige Rolle, auch wenn die viel zu große Bühne jeglicher Intimität im Wege steht.
Esther Keil hat als Hedda starke Momente, aber ihre tiefe Verzweiflung schimmert hinter der kühlen, glatten Fassade zu wenig durch. Christopher Wintgens macht aus Tesman fast die Karikatur eines unbeholfenen Ehemanns, vermittelt aber auch glaubhaft den enormen Druck, unter dem der Mann steht.
Insgesamt agieren die Schauspieler differenziert, manchmal aber auch etwas schablonenhaft. Die Konflikte vor allem zwischen Hedda und Tesman sind von Beginn an zu offensichtlich, was dem Ganzen etwas die Spannung nimmt.
So lässt einen das Schicksal dieser Frau seltsam unberührt, gerade ihr Tod erscheint nicht als Verzweiflungstat, sondern nur als schöne Pose. Eine lediglich solide Aufführung, mit entsprechendem Applaus honoriert.