Serie "Schlaglichter der Sammlung": Aufwartung der Dame in Schwarz

Im Depot lagert ein sechsteiliger Zyklus des Krefelder Expressionisten Heinrich Nauen. Der „Besuch“ ist eine der Arbeiten.

Krefeld. Die Dame — ganz in Schwarz gewandet — ist anscheinend mitten in einen entspannten Familiennachmittag geplatzt: Die Hausherrin hat es sich mit Decke und Buch auf dem Sofa gemütlich gemacht, während das Dienstmädchen gerade einen Blumentopf umstellen will. Die Kinderfrau ist im Begriff, mit ihrem blonden Schützling im Arm aufzustehen. Und die Katze spielt genüsslich mit einem Ball.

Passenderweise hat Heinrich Nauen sein Gemälde aus dem Jahr 1913 „Besuch“ getauft. Es gehört zu einem sechsteiligen Zyklus, den der Krefelder Künstler für die Burg Drove in der Eifel geschaffen hat. „Auftraggeber war die Familie Suermondt“, sagt Sylvia Martin, stellvertretende Direktorin der Kunstmuseen. „Edwin Suermondt, ein Jurist, Kunsthistoriker und Sammler, veranlasste seine Mutter, den Zyklus monumentaler Gemälde bei Nauen zu bestellen.“

Die sechs Werke waren dafür gedacht, den Apfelspeicher der Burg aus dem 18. Jahrhundert zu schmücken. Er sollte damit zum Musikzimmer aufgewertet werden. „Nauen hat sich mit diesem Auftrag schwergetan“, erzählt Martin. „Das lag sowohl am hohen Anspruch, den er an sich selbst stellte, als auch daran, dass die Auftraggeber gar keine Vorgaben gemacht hatten.“

Zum Glück — kann man aus heutiger Sicht sagen. Zwar arbeitete Heinrich Nauen fast zwei Jahre an den Gemälden, doch das Ergebnis ist außergewöhnlich: „Anders als bei den meisten künstlerischen Zyklen gibt es kein einheitliches Thema“, sagt Martin. „Jedes Werk könnte auch für sich alleine stehen.“ Neben „Besuch“ entstanden „Amazonenschlacht“, „Gartenbild“, „Badende“, „Ernte“ und „Pietà“. So erstreckt sich das Themenfeld vom Trivialen bis zur Mythologie.

„Doch es gibt trotzdem etwas, das die Werke zusammenhält“, sagt die Expertin. „Jedes hat seine eigene farbliche Atmosphäre.“ Während der „Besuch“ von Rottönen bestimmt wird, sind es bei den anderen Arbeiten Grün, Gelb, Blau oder Orange. Paul Wember, der ehemalige Direktor der Kunstmuseen, hat außerdem die Rolle der Frau in dem Zyklus thematisiert. „Auch das könnte man als roten Faden sehen.“

Besonders augenscheinlich beim „Besuch“ ist der Einfluss von Henri Matisse. Genau wie der berühmte französische Künstler hat Nauen sein Gemälde vornehmlich aus Flächen mit nur wenigen perspektivischen Elementen aufgebaut. Ein weiterer spannender Bezug ist der Kaminschirm vorne links, der wie ein Bild im Bild wirkt. „Japanische Kunst war damals total im Trend“, erklärt Sylvia Martin. „Bei dem gewählten Motiv handelt es sich — leicht verändert — um den Holzschnitt ,Mutter mit Kind’, der sich ebenfalls in unserer Sammlung befindet.“