Bühne der Fabrik Heeder Tänzer kreiseln sich in einen Rausch
Choreograph Daniele Ninarello aus Turin zeigte zwei Stücke mit atemberaubenden Drehungen auf der Bühne der Fabrik Heeder.
Krefeld. Es wie eine Probensituation. Die Bühne ist noch nicht ausgeleuchtet, der Tänzer kommt in Sportschuhen und probiert ohne Musik einige Bewegungen aus. So unspektakulär beginnt Daniele Ninarello sein Solostück „Non(leg)azioni“, das während seiner zwanzigminütigen Dauer dann noch manche Überraschung bereithält.
Der in Turin ansässige Tänzer und Choreograf ist mit seinem Doppelabend der zweite italienische Gast im Rahmen von Move!. Er zieht seine Schuhe aus, das Licht ändert sich, Musik setzt ein. Es ist eine Suite von Bach, die mit ihren einzelnen Sätzen dem Tanz eine Grundstruktur verleiht. Der Körper im Raum ist auch die Grundstruktur der Choreografie, wobei der Fokus immer auf einen anderen Bereich gelegt wird. So bewegt sich der Tänzer in einer Sequenz überwiegend am Boden, wobei die Drehungen und Windungen seines Körpers einen ins Staunen versetzen. An anderer Stelle sind nur seine überaus ausdrucksvollen Hände ins Licht getaucht, ab und an kommt durch Berührungen mit der Hand auch der Kopf ins Bild.
Parallel zum gesteigerten Tempo der Musik schüttelt er seine Hände so heftig, als wollte er sie vom übrigen Körper loslösen. Emotional, dynamisch und von akrobatischer Beweglichkeit ist dieses Solo gekennzeichnet.
Damit gibt es bereits einen guten Vorgeschmack auf das zweite Stück des Abends. Eine weiße Folie auf dem Boden und drei weiße aufgespannte Stoffbahnen kennzeichnen das minimalistische Bühnenbild. Umso mehr fallen die geblümten Kleidungsstücke der drei Akteure auf.
Neben Ninarello sind es die beiden Tänzerinnen Annamaria Ajmone und Marta Ciàppina, die das vierzigminütige Stück „Rock Rose Wow“ bestreiten. Zunächst nehmen sie zu Dritt immer wieder neue Positionen auf der Bühne ein, halten inne und blicken ins Publikum oder sich gegenseitig an. Dann beginnen sie sich nacheinander aus dieser Dreierkonstellation zu lösen und experimentieren mit diversen Bewegungsabläufen. Drehungen der Arme aber auch des gesamten Körpers sind vorherrschend. Dazu ertönt ein sich steigernder elektronischer Sound, der die Ohren gehörig strapaziert.
Im mittleren Teil geht das Tempo zurück, die beiden Frauen bewegen sich mit akrobatischen Positionen am Boden. Die eine hat dazu extrem hohe, elegante Schuhe angezogen, was bei manchen Bewegungen besonderes Geschick erfordert.
Wie ein Kreisel rotiert Ninarello in der Schlusssequenz des Stückes sitzend auf dem Boden in scheinbar endlosen Wiederholungen. Die Tänzerinnen setzen ebenfalls mit rotierenden Bewegungen ein, wobei jeder für sich, ohne Bezug zu den anderen bleibt. Das Ganze steigert sich in einen rauschartigen Zustand wilder Dynamik, in dem es nur noch um die pure Bewegung geht. Diese scheinbare Auflösung der Schwerkraft ist für den Zuschauer faszinierend aber auch ein wenig beängstigend. Doch zum Schluss hört man in der Dunkelheit das laute Atmen der Tänzer. Ein Beweis, dass man doch lebendige Menschen auf der Bühne gesehen hat. Für diese großartige und fast schon irrationale Körperbeherrschung wird das Trio mit begeistertem Applaus gefeiert.