Vorhang auf für Phase zwei mit Intendant Grosse

Die Mannschaft macht geschlossen bis 2020 weiter. Für das Publikum dürfte das eine gute Nachricht sein.

Krefeld. Gut möglich, dass die deutsche Theaterwelt in diesen Tagen ein wenig neidisch Richtung Niederrhein blickt. Denn Intendant Michael Grosse hat zur finanziellen Planungssicherheit bis 2020 nun auch die personelle. Die Verträge mit seiner Mannschaft hat er um fünf Jahre verlängert — zumindest die der Führungsspieler (die WZ berichtete exklusiv).

Entsprechend adventlich war gestern die Stimmung im Seitenfoyer des Theaters — zur perfekten Harmonie fehlten nur Lichterglanz und Tannenduft. Alle betonten, wie sehr sie einander und die gemeinsame Arbeit schätzen, wie offen, loyal, kritisch und kreativ sie miteinander umgehen. Was man so sagt in Situationen wie dieser.

Das Verrückte ist: In diesem Fall stimmt es. Nach allem, was man weiß, scheint es bei Grosse und seinem Team weitgehend zu passen, atmosphärisch, organisatorisch und oft auch künstlerisch. Die Städte haben das bereits anerkannt, indem sie den Etat ab 2015 um zwei Millionen Euro pro Jahr erhöhen. Unfassbar fast, in Zeiten wie diesen.

„Das belohnt den Weg, den wir eingeschlagen haben, und es gibt uns Sicherheit“, sagt Andreas Wendholz, der Operndirektor bleibt. Neben Selbstläufern und leichter Unterhaltung hat er mit viel Mut selten gespielte Opern im Spielplan platziert. Wagners „Rienzi“ oder Bellinis „Norma“ erreichten eine Auslastung von 90 Prozent und ernteten sogar überregional gute Kritiken. Auch das Opernstudio mit jungen Sängern, das Wendholz installiert hat, wächst und gedeiht.

Schauspieldirektor Matthias Gehrt macht ebenfalls weiter: „Ich habe keine Sekunde gezögert“, sagt er. „Das meine ich wörtlich.“ Während er als Regisseur von Klassikern wie „Faust“ oder „Woyzeck“ anfangs noch etwas verkrampft wirkte, hat er zuletzt mit „Der Kirschgarten“ und vor allem „Verbrennungen“ echte Akzente gesetzt. Als Gestalter seiner Sparte beweist er ohnehin Gespür, lässt klare Linien erkennen und findet eine Mischung aus unbequemen Stoffen und soliden Publikumsrennern wie „Rocky Horror Show“, „Ewig jung“ und „Blues Brothers“.

Dass auch Ballettchef Robert North mit bald 70 Jahren noch fünf drauf legt, hatte sich angedeutet (WZ vom 21. November). „Ich habe hier mehr Unterstützung bekommen als irgendwo sonst in der Welt“, sagt er. „Und deshalb werde ich hier auch länger bleiben als an jeder anderen Station.“ Wie sehr das Publikum Norths poetische, erzählerische Choreografien liebt, hat eben erst die umjubelte Ballettgala gezeigt. Um diese Sparte wird Grosse sich nicht sorgen müssen.

Ob so viel Harmonie und Sicherheit schädlich sein kann? Grosse glaubt es nicht, doch er hat auch ein simples Gegenrezept: „Wir müssen genau auf unser Publikum gucken. Wir werden schnell merken, wenn wir blind und selbstgefällig werden.“ Im Übrigen will der Intendant weitermachen wie bisher: nicht als Regisseur in Erscheinung treten, sondern als Schauspieler. Schon heute bringt er es pro Spielzeit auf 50 Abendvorstellungen.

Hinter den Kulissen wird ab Dezember 2014 Michael Magyar an seiner Seite stehen. Er folgt Reinhard Zeileis, der pensioniert wird, als Mit-Geschäftsführer. Am Umbau des Theaters in eine GmbH und an der Sanierung des Gladbacher Hauses war er maßgeblich beteiligt. Magyar gilt als bescheiden und akribisch, ein ruhender Pol im oft hektischen Theaterbetrieb. „Künstlerische Freiheit in meinem Beruf wäre ganz schwierig“, sagt er. „Dann finden wir uns alle im Gefängnis wieder.“ Seine Rolle der Prokura übernimmt Ingrid Mevißen.

Dass gleichwohl auf der Leitungsebene eine Stelle eingespart wird, wie Michael Grosse betont, zeigt, dass die Bäume im Theater auch nach 2015 nicht in den Himmel wachsen. Der Intendant und sein Team können allerdings dafür sorgen, dass sie reiche Früchte tragen.