Laden in Trümmer-Lage

Kölnerstrasse: Viele Stammkunden von Anna Sdirou meiden nach den Abrissarbeiten das Geschäft – es wirkt zu gefährlich.

Krefeld. Der Abbruchbagger hat an der Kölner Straße zwischen Melanchthonstraße und Klinikum-Gelände seine Arbeit beendet - jetzt wird der Bauschutt abgeräumt. Allein das Haus Nr. 61 steht noch - und Fragmente der einstigen Nachbar-Gebäude mit Stütz-Funktion. Würden die entfernt, könnte das letzte Gebäude wie ein Kartenhaus zusammenfallen. Dieser unansehnliche Zustand wird, sollte nicht ein Unglück oder ein Wunder geschehen, bis zum 31. Dezember 2012 Bestand haben.

Seit 14 Jahren betreibt Anna Sdirou eine Lotto-Annahmestelle mit Schreib- und Tabakwaren sowie einem kleinen Reisebüro in dem Haus Nr.61. "Viele meiner Stammkunden kommen nicht mehr", klagt die Geschäftsfrau. "Der Bauzaun hat wochenlang verhindert, dass Leute vor dem Laden schnell mal halten und Zigaretten oder Zeitungen kaufen konnten."

Anderen Kunden sei das Betreten des Geschäftes angesichts der lockeren Steine auf den Nachbarmauern zu gefährlich geworden. Wieder andere hätten ihre Situation mit jenem "kleinen gallischen Dorf" verglichen, dass dem Druck der Römer trotzt.

Unter Druck gesetzt fühlt sich Anna Sdirou von der Stadt. Die hatte die Häuserzeile vor einigen Jahren gekauft, damit die Kölner Straße südlich der Ritterstraße verbreitert werden kann. Und dann stellte sich heraus, dass die Mieterin im Haus Nr. 61 noch eine Vertragsoption bis zum 31.Dezember 2012 hat.

"2500 Euro Entschädigung hat man mir angeboten", sagt die Geschäftsfrau und verweist andere Zahlen ins Reich der Märchen. Für einen Umzug in ein neues Ladenlokal fehle ihr das Geld. "Die alten Regale würden einen Umzug nicht überstehen." Überhaupt wundert sie sich über den so zügigen Abbruch: "Jetzt stellt sich die Stadt eine Ruine hin. Was bezweckt sie damit?"

Der Abbruch der Häuser ist vor Weihnachten und nach Neujahr forciert worden. "Der Boden bebte, die Wände wackelten. Meinen Sie, dass irgendjemand von der Bauverwaltung auf die Idee gekommen wäre, mir vorher Bescheid zu sagen?", klagt Sdirou. Wohl hätte man ihr schon vor etwa zwei Jahren im Stadthaus signalisiert, dass es beim Abbruch "laut und kalt werden könnte". Die Heizung muss sie inzwischen voll aufdrehen.

Jetzt wird es auch noch feucht. Zwar hat das Abbruchunternehmen Löcher in der rückwärtigen Wand des Treppenhauses und eine Tür zugemauert, doch eine tropfende Wasserleitung in der leerstehenden Wohnung über dem 45 Quadratmeter großen Laden in "Trümmerlage" sowie Wärmebrücken führen nun dazu, dass es im Geschäft Beulen in der Decke und dunkle Flecken an einer Wand gibt.

"Der Statiker der Baufirma hat erklärt, dass die Seitenwände mit Folie gesichert werden müssten", sagt Anna Sdirou und verweist darauf, dass Regenwasser über die freigelegten Holzböden der stehengebliebenen Nachbarhaus-Reste in die Nummer 61 eindringe.

Gefährlich ist die Situation besonders für Kinder, die das Abbruchgrundstück als Abenteuerspielplatz betrachten könnten. Den Bauzaun kann man leicht zur Seite schieben. Große Glasscheiben eines ehemaligen Geschäftes sind zum Teil zerstört, große Scherben können herunterfallen und hineinkletternde Personen schwer verletzen. Steine auf den Mauerresten sind locker, und auf dem Trümmergrundstück klafften am Wochenende noch große Löcher, die in tiefe Keller führen.

Anna Sdirou ist betrübt von der Entwicklung: "Die Häuser fallen zu sehen, war nicht schön. Man sieht alles den Bach ’runtergehen. Die Existenz ist jetzt bedroht, doch das interessiert bei der Stadt keinen."