Olympia-Serie: Geradeaus zur Goldmedaille

Michel Scheuer gewann bei den Spielen von Melbourne im Kajak gleich zwei Medaillen.

Krefeld. Die Liste der Krefelder Goldmedaillengewinner bei Olympischen Spielen ist wahrlich nicht übertrieben lang. Aber egal, wie viele Athleten sich auf dieser in Zukunft - vielleicht schon in diesem Jahr in Peking - noch verewigen werden, einer wird immer einen besonderen Platz einnehmen:

Michel Scheuer gewann 1956 in Melbourne mit Meinrad Miltenberger im Zweier-Kajak für Deutschland das erste Gold der Nachkriegsgeschichte.

Der 81-jährige Krefelder gerät ins Schwärmen, wenn er sich an damals erinnert. Und das nicht etwa, weil er nun eine olympische Goldmedaille in einem Bankschließfach aufbewahren kann, sondern schlicht und ergreifend, weil er eine "schöne Zeit" erlebt hat, die er nicht mehr missen möchte.

Weder die Tatsache, dass er sich die 25 Kilometer zum Training in Duisburg damals nach der Arbeit auf dem Rad abstrampeln durfte, noch der Umstand, dass Goldmedaillengewinner dieser Tage weit mehr mit nach Hause nehmen können als eine Gold-Plakette, lassen Scheuer neidisch werden:

"Wir hatten damals durch den Sport die Gelegenheit, was zu erleben, sind weit herumgekommen und hatten eine sehr schöne Zeit."

Einzig die professionelle medizinische Betreuung, die heute Standard ist, hat Scheuer damals vermisst ("Wir mussten zehn Kniebeugen machen, dann waren wir sporttauglich.").

Da der Krefelder eher zu denen zählte, die sich beim Training nicht schonten, plagen ihn nunmehr lädierte Schultern und Rückenschmerzen. Alles allerdings kein Grund für den fitten 81-Jährigen zu lamentieren - nur in ein Boot hat er sich bereits seit vielen Jahren nicht mehr gesetzt.

Trotzdem ist Scheuer selbstverständlich nach wie vor Ehrenmitglied des Krefelder Kanu Klubs (KKK) und wird den Fernseher während der Olympischen Spiele auf jeden Fall anschalten, wenn die Kajak-Fahrer ihre Boote ins Wasser lassen.

Krefeld gilt bei Wassersportarten wie Rudern und Wasserball noch heute als Hochburg, lediglich um die Kajak-Fahrer ist es ruhig geworden. Während sich der KKK im Leistungssportbereich mittlerweile auf Triathlon konzentriert und Kajaks nur noch für Wanderfahrten ins Wasser lässt, setzt der Kanu Sport Klub Bayer Uerdingen große Hoffnungen in seinen Nachwuchs.

Marc Diederich (Deutscher Vizemeister Schüler B) sowie Tim und Max Sündermann lassen durchaus gute Ansätze erkennen. Aber da die Bayer-Athleten seit jeher auf den Slalomstrecken zu Hause sind, ist auch hier kein Nachfolger für Michel Scheuer in Sicht; denn der bevorzugte die geraden Strecken.

Dass es für Scheuer in Melbourne, wo er neben Gold im Zweier- auch Bronze im Einer-Kajak holte, zum ganz großen Wurf reichte, war wie so oft im Sport allerdings auch Glückssache. Ein Glück, dass etwa Frank Renner und Eva Brünsing (beide KKK) nicht beschieden war.

Ersterer wurde kurz erst vor den Spielen in Los Angeles (1984) aus dem Team gestrichen, und Letztere hatte das große Pech, 1980 den Olympia-Kurs eingeschlagen zu haben - und damals hat Deutschland die Spiele in Moskau bekanntermaßen boykottiert.