Mit den Seifenkisten runter ins Tal
Das Rennen auf dem Hülser Berg hat eine lange Tradition. Nach dem Zweiten Weltkrieg initiiert, wurde es im Jahr 1998 wiederbelebt.
Hüls. In wenigen Wochen hat das Warten ein Ende. Wenn in diesem Jahr die Fahrzeuge der zahlreichen Teilnehmer den Hülser Berg hinunter brausen, feiert das Krefelder Seifenkistenrennen des Fachbereichs Jugendhilfe bereits seine 17. Auflage. Das Rennen knüpft an eine weit zurückliegende Tradition an, die zwischenzeitlich verloren geglaubt war.
Die schrillen Vehikel, die durch ihre unkonventionellen Bauweisen und kreativen Designs wohl wieder zahlreiche Schaulustige zum Hülser Berg locken werden, haben ihren Ursprung allerdings in den USA.
Vor mehr als 80 Jahren fielen einem Fotografen der „Daily News“ aus Ohio Jugendliche auf, die aus Verpackungskisten kleine Automobile zusammenschraubten, die sich lediglich durch ihre Hangabtriebskraft fortbewegten. Jener Reporter prägte in seinen Berichten den Begriff „soap-boxes“ — Seifenkisten.
Nach dem Zweiten Weltkrieg schaffte die Seifenkiste den Sprung vom mittleren Westen der Vereinigten Staaten nach Deutschland, wo Besatzungssoldaten den Sport schnell als beliebte Freizeitaktivität etablierten. Der Trend erreichte auch Krefeld.
„Als ich im Jahr 1958 nach Krefeld in die Nähe des Hülser Bergs zog, bekam ich sofort etwas von den Rennen mit“, erinnert sich Doris Podelko-Ruweder. Sie selbst habe auch zahlreiche Rennen besucht und stehe noch immer mit einigen Bekannten aus dieser Zeit in Kontakt. „Aus der ganzen Republik sind damals Menschen angereist, man hat sich jedes Jahr aufs Neue gefreut.“
Hautnah dabei war Hans-Peter Hannen, der gemeinsam mit seinem Zwillingsbruder in den 1950er-Jahren mit Erfolg bei den Rennen antrat. „Es war damals für uns dreizehnjährigen Jungen eine spannende Sache“, berichtet er. In besonders guter Erinnerung ist ihm die Strecke am Hülser Berg geblieben. „Dort mussten wir wirklich unser Können unter Beweis stellen, denn auf den anderen Pisten ging es ja nur geradeaus“, erzählt er lachend. „Die Strecke lässt sich mit keiner anderen vergleichen“, fügt er hinzu.
Im Zuge seines Sieges beim Rennen in Krefeld qualifizierte sich Hannen für die Deutschen Meisterschaften in Duisburg, wo er sich dann jedoch geschlagen geben musste.
Auch seine Schwester lässt die damalige Zeit gerne Revue passieren. „Die Stimmung war einfach grandios. Es kam einem kleinen Volksfest gleich“, erinnert sich Monika Valentin. „Damals hat Opel jedem Teilnehmer Vorder- und Hinterachsen bereitgestellt. Dadurch waren die Chancen relativ ausgeglichen.“
Als Opel jedoch 1972 aus der Branche ausstieg und sich daraufhin weitere Sponsoren zurückzogen, verschwanden die Seifenkistenrennen schrittweise von der Bildfläche — bis der Fachbereich Jugendhilfe Krefeld die beliebten Rennen im Jahr 1998 erfolgreich wiederbelebte.
Am 3. September werden sich jetzt erneut Rennbegeisterte aus der Region einen rasanten Wettkampf am Hülser Berg liefern. Die Rennen haben sich als Familienveranstaltung bewährt, konstatiert Silke Wintersig, Organisatorin des Events. Besonders in den vergangenen zwei Jahren sei der Menschenandrang enorm gewesen. „Das Interesse am Seifenkistenrennen hat nicht abgenommen“, betont Wintersig.
Unter den Teilnehmern sind in diesem Jahr ein Kollektiv aus Krefelds Partnerstadt Leicester und ein Team aus der polnischen Stadt Posen. Diese werden sich mit ihren Konkurrenten in der Geschwindigkeits- und einer Jux-Wertung messen, bei der explizit die Gestaltung der Seifenkiste relevant ist.
Hans-Peter Hannen lebt zwar heute in Schweden, verfolgt aber immer noch die Geschehnisse in seiner ehemaligen Heimatstadt. Besonders freut ihn, dass die Seifenkistenrennen an Beliebtheit offenbar nicht eingebüßt haben. In rund einem Monat wird sich herausstellen, wer womöglich in seine Fußstapfen treten wird.