Krefeld Schock im Helios: Nach Narkose in die Kurzzeitpflege
Eine an Polio erkrankte Frau sollte vier Tage nach einer OP trotz Lähmungen schon wieder aus dem Helios-Klinikum entlassen werden.
Krefeld. Drei bis fünf Tage maximal ist die Verweildauer im Krankenhaus nach einer unkomplizierten Gallenblasen-Operation. Bei Monika Steffens (Name von der Redaktion geändert) sind es zehn Tage geworden, mit anschließendem Übergang in die Kurzzeitpflege. Dort liegt sie jetzt seit viereinhalb Wochen. Grund für die Komplikationen sind ihre Polio-Erkrankung und eine Narkose, von der sie sich nur sehr langsam erholt. „Das kommt häufiger vor, wenn Ärzte sich mit dem Krankheitsbild der Kinderlähmung nicht ausreichend auskennen“, sagt Stefanie Laux vom Bundesverband Polio.
Nach einer schlaflosen Nacht, in der Monika Steffens sich vor Schmerzen krümmt und ständig übergeben muss, wählt die alleinstehende Krefelderin am Mittwoch, 28. September, morgens den Notruf. Durch das Post-Polio-Syndrom ist sie teilweise auf den Rollstuhl angewiesen und kann nicht alleine ins Krankenhaus fahren. Im Helios-Klinikum wird sie per Ultraschall untersucht, Gallensteine entdeckt. „Das ist nichts Besonderes, hat mir der Arzt gesagt“, erinnert sich Steffens, und sie habe Schmerzmittel bekommen.
In der Nacht schnellen die Entzündungswerte hoch. Auch die Schmerzmittel zeigen nach 24 Stunden immer noch keine Wirkung. Dennoch will der behandelnde Arzt zunächst am Freitag noch eine Magenspiegelung vornehmen — unter Betäubung. „Für solche Zwecke habe ich vorsichtshalber ein Merkblatt zur Narkose des Bundesverbandes Polio dabei“, erklärt Steffens. Durch ihre starke Muskelschwäche müsse sie anders als gesunde Menschen narkotisiert werden, um keine Lähmungserscheinungen zu bekommen.
Dass dieses Merkblatt wichtig und notwendig ist, sieht die 54-Jährige dadurch bestätigt, dass die Ärztin die Narkose neu überdacht habe und zum vorgeschlagenen Medikament Propofol greifen will. Steffens verzichtet auf die Betäubung bei der anschließenden Magenspiegelung, aus Sorge, zwei mögliche Narkosen hintereinander nicht zu vertragen.
Das Ergebnis der Untersuchung ist negativ. Noch am selben Freitag wird eine Notoperation per Schlüsselloch-Methode eingeleitet, eine Routine-Operation. „Vor dieser OP fand kein weiteres Gespräch mit einem Arzt über die Narkoseform statt“, sagt Steffens.
Sie glaubt, dieselbe Ärztin wie am Morgen würde die Anästhesie begleiten. Dem ist aber nicht so. Die Folge: „Die haben mir zu viel Muskelrelevanzen reingeschossen, danach haben sie mich erst einmal nicht mehr wach gekriegt.“
Dass etwas passiert sein muss, dämmert ihr, als sie sehr langsam wieder zu sich kommt. „Können Sie mich hören? Sie sind hier auf der Intensivstation. Man konnte Sie nach der OP nicht wachkriegen, deshalb sind Sie hier“, habe eine Stimme zu ihr gesagt. „Mein Körper war voll gelähmt, ich kriegte keine Luft, konnte die Augenlider nicht öffnen“, erinnert sie sich. Sie konnte nicht aufstehen, nicht selber auf Toilette gehen. „Und dennoch wollte man mich vier Tage nach der OP, am Dienstag, schon entlassen“, sagt Steffens. Sie protestiert: „Ich gehe erst, wenn ich selber wieder sitzen und in meinem Rollstuhl zur Toilette fahren kann.“
Zwei Tage sei sie weiter bedrängt worden. Erst als sie am Donnerstag in ihrer Not den Sozialen Dienst selber anruft, erfährt sie dort Unterstützung. Die Sozialarbeiterin organisiert ab dem 10. Oktober einen Kurzzeitpflegeplatz, dessen Kosten das Sozialamt letztendlich übernimmt.
„Die operative Behandlung von Patienten mit neuro-muskulären Erkrankungen ist am Helios-Klinikum keine Seltenheit und erfolgt regelmäßig. Die Narkose zur Entfernung der Gallenblase wurde an die Polio-Erkrankung der Patientin angepasst“, erklärt Pressesprecherin Marina Dorsch auf Nachfrage. Auch habe vor der Einleitung der Narkose ein Gespräch zwischen Patientin, Anästhesieschwester und der narkosegebenden Ärztin stattgefunden. „Das war bei der Magenspiegelung“, setzt Monika Steffens dagegen.
Über die WZ hat sich Helios offiziell bei der Krefelderin für das schlechte Gefühl entschuldigt, das durch die nicht gelungene Abstimmung zwischen den Beteiligten entstanden sei. Steffens hofft hingegen, dass das Merkblatt zu Polio in jedem OP-Saal jetzt ausliegt.