Interview SPD-Vorsitzender Klaer: "Wir sprechen nicht mehr die Sprache der Bürger"
Der neue Vorsitzende der SPD, Ralph-Harry Klaer, will wieder näher an die Menschen ran.
Krefeld. Ralph-Harry Klaer ist zum neuen Parteivorsitzenden der SPD gewählt worden, weil Frank Meyer den Posten nach seiner Wahl zum Oberbürgermeister abgeben wollte. Der 57-Jährige ist weder im Rat, noch Abgeordneter in Land oder Bund. Er versteht sich als Mann der Basis. Und an die müsse die Partei wieder ran, sagt er der WZ im Interview.
Herr Klaer, Sie sind der erste Parteivorsitzende ohne Mandat. Ist das ein Nachteil?
Ralph-Harry Klaer: Das kann kurzfristig ein Nachteil sein, weil das Netzwerk ein ganz anderes ist. Ich hätte zum Beispiel wenig Chancen, Frau Kraft nach Krefeld zu holen. Das heißt, ich brauche die Unterstützung der Abgeordneten und Ratsmitglieder. Aber die bekomme ich auch. Ich bin jetzt zum Beispiel auch Mitglied der geschäftsführenden Fraktion. Ich glaube aber, dass sich das egalisiert, denn im Kontakt zu den Nachbarstädten oder den Menschen auf der Straße empfinde ich das nicht als Nachteil.
Sehen Sie denn Differenzen zu Schwerpunkten oder Positionen der Ratsfraktion?
Klaer: Man muss viele Dinge besprechen. Nehmen wir das Beispiel Seidenweberhaus. Ich finde das völlig in Ordnung, einen Bürgerentscheid zu machen, denn es gibt unterschiedliche Meinungen. Persönlich bin ich der Meinung, wir brauchen ein Seidenweberhaus und ich bin überzeugt, dass es nicht so hässlich sein müsste, wie es ist. Ein weiteres Beispiel ist der Haushalt.
Den in Ordnung zu bringen, ist sehr wichtig. Aber ich sehe das als Voraussetzung — nicht als Ziel. Die Menschen finden das selbstverständlich. Die möchten wissen, wann die Stadt auch entsprechend aussieht. Ich habe da vielleicht eine unbefangenere Sicht, als diejenigen, die sich damit in jeder Ausschuss- und Ratssitzung beschäftigen.
Sie haben bei Ihrer Vorstellung betont, dass sie die Basis stärker einbinden wollen. Was haben Sie vor?
Klaer: Wichtig ist es, Mitglieder und Interessierte zu motivieren. Einbringen kann man sich nicht nur durch Reden, sondern auch durch Tun. Die Menschen als Nachbarn ansprechen, nicht als Politiker. Ich habe auch keinen Spaß an Regularien und mein Tag ist auch durch den Job geprägt, genau wie der unserer Mitglieder. Parteien sind Anachronismen. Wir sprechen nicht mehr die Sprache der Bürger und denken oft viel zu langfristig. Wir müssen weniger bürokratisch werden und mehr Leben versprühen.
Wie kann man das schaffen?
Klaer: Indem man ein Bürgerfest mit Nachbarn organisiert und ins Gespräch kommt. Wir haben von der Bundes-SPD eine Förderung für das Projekt „Die SPD als Nachbarin unter Nachbarn. Mit Themen und Köpfen zu den Menschen“ erhalten. Fünf Projekte sind in diesem Rahmen geplant. Da geht es um Themen wie die Philadelphiastraße, aber auch darum, wie man junge Parteimitglieder, die durch den Beruf sehr eingespannt sind, dennoch bei der Stange hält — zum Beispiel über Skype oder Videokonferenzen. Mehr Mitbestimmung und mehr Bürgerbeteiligung — das wollen wir auch in der Satzung verankern.
Wo hat die Partei aus Ihrer Sicht noch Nachholbedarf?
Klaer: Bei den Wählern, die sie bundesweit enttäuscht hat. Wir tragen eine Narbe aus der Zeit Schröders im Gesicht. Es war richtig, die Sozialgesetzgebung zu straffen, aber es war nicht richtig, dass man keine Rücksicht auf sozial Schwache genommen hat. Da ist uns in unserer Kernkompetenz etwas abhandengekommen. Dieses Vertrauen müssen wir zurückgewinnen. Und wir müssen an der Glaubwürdigkeit von Kompromissen arbeiten. Wir sind bereit, welche einzugehen, aber das Ergebnis muss stimmen und wir müssen es nachvollziehbar machen.