Linn: Starke Stimmen für das Städtchen
Anfang 1859 wird mit Kaiser Wilhelm II. auch der Linner MGV geboren – 150 Jahre bewegte Geschichte.
Krefeld. Auf diesen Tag hat er gewartet: Als aus Berlin die Nachricht von der Geburt des Thronfolgers kommt, läuft der Lehrer Matthias Doffiné im Eilschritt durch das damals selbständige Städtchen Linn, um Freunde für den Abend zusammenzutrommeln.
Es gilt, den Linner Männergesangverein an einem denkwürdigen Tag zu gründen. Es ist der 27. Januar 1859, wahrscheinlich in der Schankwirtschaft "Wtw. Vincentz", heutige Rheinbabenstraße, als zur Feier des Tages das "Deutsche Weihelied" erklingt.
Dem indirekten Paten, Kaiser Wilhelm II., fühlte sich der Chor lange verbunden. Den 150. Jahrestag hat er intern gefeiert, sogar mit Damen. Groß begangen wird das Fest am Sonntag, 17. Mai, im Rittersaal der Burg Linn. Dann kommen Ehrengäste und Gratulanten. Und dann singt auch der Shanty-Chor, der dem Männergesangsverein 1996 wieder Auftrieb gegeben hat.
Der damalige Dirigent Lothar Fett, einer von 25 in der Geschichte des Vereins, will es nicht mehr mit ansehen und wahrscheinlich auch -hören, dass der Chor immer älter und kleiner wird. Er hat vom Erfolg des Hülser Shanty-Chors gehört, kauft sich ein Akkordeon und bringt es zum Probeabend mit. Fortan sind Freddy Quinns Seemannslieder nachwuchs- und auftrittsfördernd. Der Shanty-Chor, dessen Konzerte man zu wichtigen Gelegenheiten beim Vorsitzenden buchen kann, kommt zurzeit auf 30 Auftritte pro Jahr.
Doch zurück zur frühen Gründungsphase: Sie verläuft euphorisch. Schon wenige Monate nach den ersten Proben des jungen Vereins, dessen Vorsitz der Schmiedemeister Peter Krülls übernimmt, gibt der Linner MGV ein Konzert. Bald wird eine Vereinsfahne entworfen und geweiht. Sie hält 100 Jahre.
Einen ersten Rückschlag erleidet die Sangesfreude, als 1878 der Erzbischof von Köln anordnet, dass nur Cäcilienchöre den Messgesang erklingen lassen dürfen. Acht Überläufer zählt die Vereinschronik. Doch der weltliche Gesang ist attraktiv genug. Die Vereinsjubiläen 1884 und 1909 geraten zu großen Sängerfesten mit zunächst 28, später dann 17 auswärtigen Vereinen.
Die zwanziger Jahre sind die Zeit des Chorgesangs und der ganz großen Sängerfeste, so auch in Linn. Chorleiter Fritz Henrici gründet eine Arbeitsgemeinschaft der Linner mit den Chören Frohsinn Moers und Cäcilia Kempen und bringt ein Stimmvolumen von 200 Kehlen auf die Bühne, als 1928 des 100. Todesjahres von Franz Schubert gedacht wird.
Der Höhepunkt des Vereinslebens ist zweifellos der 75. Geburtstag 1934, als 27 Chöre mit über tausend Sängern in 13 Linner Gasthäusern singen und 800 im Hof der Burg Linn auftreten.
Nach 1945 braucht der Chorgesang auch in Linn eine Zeit, um wieder zu Stimmen zu kommen. Der MGV erzielt große Erfolge mit geistlichen Gesängen, Konzertreisen gehen über die deutschen Grenzen hinaus, das Hundertjährige wird mit einem großen Oratorium im Saal Nauen gefeiert.
Die Krise kommt auch in Linn nach 1968, die Zahl der Sänger wird immer geringer, so helfen sich die Linner mit Probegemeinschaften. Immerhin stehen 1984 fast hundert Sänger auf der Bühne. Wilhelm Pauen ist seit 1991 der 18. Vorsitzende des Linner Männergesangvereins und gerade wiedergewählt worden.
Zurzeit ist der Chor mit Chorleiter Klaus Ziegler und seinen 40 Mitgliedern bei allen möglichen Feiern begehrt.