Streit ums Kind: Mutter mit 20 Messerstichen getötet
22-Jähriger muss sich für die Tat Am Neuerhof wegen Totschlags verantworten.
Krefeld. Gewalt prägte sein Leben. Das Vorstrafenregister von Sinan E. ist ellenlang: Immer wieder Körperverletzungen, bewaffnete Überfälle, Diebstähle. Er war 18, als er bei einem Streit sein Klappmesser zückte und es einem Mitschüler in die Brust stechen wollte.
Der konnte in letzter Sekunde zurückweichen, hatte nur eine Hautrötung. Als E. bei einem Ladendiebstahl erwischt wird, bedroht er einen Zeugen ebenfalls mit einem Messer, kann so fliehen.
Am 24. Januar ist es erneut ein Messer, eines mit 20 Zentimeter langer Klinge, das er in blinder Wut aus der Küche holt. Diesmal sticht er laut Anklage richtig zu. Immer wieder. 20 Mal. Auf die Frau, die er als seine große Liebe bezeichnet. Martina K. (23) wird den Angriff nicht überleben.
Ihr Stiefvater findet sie Minuten später blutüberströmt auf dem Treppenabsatz des Mehrfamilienhauses Am Neuerhof. Als er Martina in die Arme schließt, lächelt sie ihn kurz an und flüstert seinen Namen. Dann schließt sie für immer die Augen.
Seit Freitag muss sich Sinan E. wegen Totschlags vor dem Krefelder Landgericht verantworten. Zur Tat selbst äußert er sich nicht, nickt aber, wenn frühere Geständnisse von ihm verlesen werden. Als der psychiatrische Gutachter seine Aussage vorliest, schlägt der 22-Jährige die Hände vors Gesicht und weint.
Am ersten Prozesstag wird deutlich: Der Tod der zweifachen Mutter ist das tragische Ende einer Beziehung, die schon lange unter keinem guten Stern mehr stand. Der Bruch geschieht 2007, als die erste von zwei Töchtern per Notkaiserschnitt und viel zu früh zur Welt kommt: „Sie ist schwerstbehindert“, sagt die Mutter (43) der Getöteten, die mittlerweile das Sorgerecht für ihre beiden Enkelinnen hat.
E. habe gesagt, die Behinderung könne nicht an ihm liegen, er sei gesund. Er vermutet einen Seitensprung, denn Martina habe Affären gehabt. Ein Gentest belegt aber, dass er der Vater ist. „Er hat das Mädchen immer gehasst“, sagt die 43-Jährige im Zeugenstand. Eine weitere Tochter ist 2009 geboren.
Noch vier Tage vor der Tat hatte E. in der gemeinsamen Wohnung randaliert und die Wohnzimmereinrichtung zertrümmert. Seine Freundin habe ihn einen „Asi“ genannt, auch seine Familie als asozial bezeichnet.
Er werde schnell aggressiv, räumt E. ein. Auch da habe ihn die Wut gepackt. „Wenn ich aggressiv werde, steche ich zu oder zerstöre Sachen.“ Dass er kaum zu zügeln ist, hatte auch ein Richter in einer der vielen Strafverfahren erkannt und im Urteil festgehalten: „Weitere Straftaten sind zu befürchten.“
Sinan E. ist seit vielen Jahren Drogenkonsument, das haben Untersuchungen ergeben. Schon mit sieben Jahren will er gelegentlich am Joint des Nachbarn gezogen haben. Der Gelegenheitsarbeiter konsumierte etwa ab dem dreizehnten Lebensjahr insbesondere Amphetamine, hat aber auch schon vieles andere probiert: Koks, Ecstasy, sogar einmal Heroin. Alkohol hingegen entsagt er.
Am Tag der Bluttat habe er das auch „Speed“ genannte Amphetamin ebenfalls genommen. Es war später aber nur in geringer Dosis im Blut nachweisbar. Zudem habe er reichlich Kaffee getrunken — deshalb habe er bei der Tat enorm gezittert. Ein solches Zittern findet sich auch in anderen Berichten über E. wieder.
Der flog bei den Eltern raus und musste sogar das Jugendheim verlassen, weil er sich nicht an die Regeln halten konnte. Nach kurzer Zeit der Obdachlosigkeit und Haftstrafen war er bei Martina K. eingezogen; die beiden waren sieben Jahre ein Paar.
Der Prozess wird am Dienstag fortgesetzt.