NRW Vergewaltigungsprozess wird ganz neu aufgerollt
Erkrath/Wuppertal · Der Angeklagte wurde 2018 zu sechs Jahren Haft verurteilt. Schon damals hatte es seitens der Verteidiger erhebliche Zweifel an seiner Schuld gegeben. Wegen eines Formfehlers wird jetzt neu verhandelt.
Werden Opfer von Sexualstraftaten vom Gericht angehört, bleibt die Öffentlichkeit meist ausgeschlossen. Dass nicht alles öffentlich ausgebreitet wird, ist vor allem auch im Interesse der Frauen, die ohnehin durch die Tat belastet sind. Stattdessen ist man als Prozessbeobachter auf das angewiesen, was andere im Zeugenstand über den Sachverhalt erzählen.
Enge Freundin spricht von angeblicher Vergewaltigung
Im Falle des 28-jährigen Tunesiers, der seine deutsche Ehefrau vergewaltigt haben soll, sagte nun eine Freundin des Opfers aus. Beide telefonieren täglich miteinander – man sei immer füreinander da, so sagte die Zeugin. Vom Vorsitzenden Richter danach gefragt, ob sie wisse, warum sie in den Zeugenstand geladen sei, sage die Frau: „Ja, es geht um die angebliche Vergewaltigung.“ Man braucht nicht zu betonen, dass einen eine solche Aussage stutzig werden lässt. Sie sei die beste Freundin, man habe über alles gesprochen: Würde man „angeblich“ sagen, wenn man denn glauben würde, dass es diese Vergewaltigung wirklich gegeben hat? Woher kommt dieser zweifelnde Tonfall bei einer Zeugin, die von sich selbst sagt, sehr eng mit dem Opfer befreundet zu sein?
Bereits zuvor hatte eine ehemalige Mitarbeiterin einer Frauenberatungsstelle im Zeugenstand keinen wirklich guten Eindruck hinterlassen. Die Sozialarbeiterin ist mittlerweile pensioniert und nur noch geringfügig im Telefondienst beschäftigt. Den letzten Kontakt zum vermeintlichen Opfer habe sie vor zwei Tagen gehabt, die Frau habe im Vorfeld ihrer Zeugenaussage bei ihr angerufen.
Worum es in dem Gespräch gegangen sei? Auf die Frage der Verteidiger des Angeklagten antwortete sie anfangs eher ausweichend. Ja, es sei ein besonderer Fall gewesen, an den sie sich noch gut erinnern könne. Im Sommer 2015 sei das Opfer erstmals in der Beratungsstelle gewesen, dann ein weiteres Mal in 2016. Die Akte sei bereits vernichtet – vermutlich, denn so genau wisse sie auch das nicht.
Es sei beim ersten Beratungstermin um häusliche Gewalt gegangen und erst Monate später um den Vergewaltigungsvorwurf. Das Opfer selbst hatte vor Gericht etwas anderes gesagt und sich an ein erstes Treffen in 2015 gar nicht erinnern können. Auch das sei Gesprächsthema des Telefonates vor ein paar Tagen gewesen.
Besonders heikel: Es geht dabei auch um den damals gegebenen Rat, ein sogenanntes Gewalttagebuch zu führen. Dort gibt es vieles zu lesen, was sich entsetzlich anhört. Von einer oder gar mehreren Vergewaltigungen – die erst zwei Jahre später zu Anzeige gebracht wurden – ist darin jedoch nichts zu lesen. Der Vorwurf der Verteidiger des angeklagten Ehemannes: Die Strafanzeige habe dem Zweck gedient, den Kontakt des Vaters mit dem gemeinsamen Kind zu unterbinden.
Auch die intensive Befragung der Freundin des vermeintlichen Opfers durch die Verteidigung förderte vor allem eines zutage: Die Mutter eines kleinen Sohnes hatte offenbar panische Angst davor, dass der Vater das Kind nach Tunesien entführen könnte. Dennoch ließe sich damit keinesfalls rechtfertigen, den Kindsvater fälschlicherweise der Vergewaltigung zu bezichtigen. Das so etwas trotz allem geschieht, wissen auch erfahrene Ermittler. Nicht zuletzt der mit einem Freispruch geendete Prozess gegen Wettermoderator Jörg Kachelmann zeigt, zu welchen Mitteln zuweilen gegriffen wird, um einem Expartner zu schaden – aus welchen Gründen auch immer.
Noch ist nicht klar, ob das auch in diesem Fall so war. Der Angeklagte wurde bereits in einem ersten Prozess 2018 zu sechs Jahren Haft verurteilt.
Wegen eines Formfehlers hatte der Bundesgerichtshof das Verfahren zur Neuverhandlung ans Landgericht zurückgewiesen. Schon damals hatte es seitens der Verteidiger erhebliche Zweifel an der Schuld des Angeklagten gegeben. Vor diesem Hintergrund wird nun der komplette Fall ein weiteres Mal genau aufgerollt.