Erste Hilfe für kleine Notfälle

Die Johanniter bilden in ihrer Kindertagesstätte „Ersthelfer von morgen“ aus. Die jungen „Retter“ sind begeistert.

Hochdahl. Pascale steht vorm Spiegel und betrachtet seinen Unterarm. Er ist verletzt. „Ich bin vom Rad gefallen“, berichtet er stolz. Die weiße Mullbinde ist für ihn wie eine Trophäe. „Hat der Aurelio gut gemacht, oder?“ Seit Freitag ist der kleine Aurelio ein „Ersthelfer von Morgen“, kein richtiger Sanitäter. Und Pascale ist auch nicht wirklich verletzt. Seine Wunde ist ein dünner Filzstiftstrich.

Erste-Hilfe-Kurse sind ziemlich gewöhnlich. Spätestens als Fahrschüler absolviert jeder einmal einen solchen Kurs. Ungewöhnlich hingegen ist das Alter von Pascale und Aurelio. Die beiden sind sechs Jahre alt und gehen in die Johanniter-Kindertagesstätte an der Hildener Straße. Eine Woche lang haben sie in überschaubaren Einheiten täglich gelernt, wie man kleine Wunden versorgt und wo man ein Pflaster nicht anfasst.

„Wisst Ihr noch, wie dieses schwierige Wort heißt?“, fragt Erzieherin Daniela Tacken. „Kompresse“, antwortet eines der Kinder. „Ja, die gibt es auch. Ich meine aber steril und unsteril — sauber und unsauber heißt das.“

Tacken und ihre Kollegin Anita Molnar haben ein Seminar absolviert, in dem sie gelernt haben, wie man Erste Hilfe kindgerecht vermittelt. Wichtig ist: „Der Unterricht darf nicht zu realistisch sein“, sagt Tacken. Sonst würden die Kinder verschreckt werden. Ziel sei es, die Kinder für die Materialien zu sensibilisieren und ihnen zu vermitteln „ihr könnt auch schon was tun“. Tacken: „Die Kinder sollen keine Herzdruckmassage durchführen.“

In Rollenspielen wurden Situationen nachgestellt, in denen kein Erwachsener in der Nähe ist, der helfen kann. Einen Notruf durften die Kinder in der Leitstelle der Johanniter simulieren. Viele Erwachsene haben Hemmungen, wenn es um die Erstversorgung geht. Indem man schon Kleinkinder schult, hofft man eine gewisse Selbstverständlichkeit zu erzeugen. Noch jünger sollten die Kinder allerdings nicht sein. „Sie haben jetzt ein Alter, in dem sie sich die gelernten Dinge schon gut merken können.“ Nach den Sommerferien wechseln die Kinder der Gruppe in die Grundschule.

Carla (5) erzählt, dass sie schon einmal ihre Mutter verbunden hat, „Aber nur mit einem Pflaster, nichts Schlimmes“. Ihre Freundin Lilli hat vor dem Kurs noch keine Wunde versorgt. Schnell zieht sie ihr rechtes Hosenbein hoch, um ihren Verband an der Wade zu präsentieren. Auffordernd guckt sie ihr Gegenüber an und verlangt nach einer Reaktion zu ihrer schlimmen „Verletzung“. Doch noch vor dem Mittagessen müssen alle Kinder wieder genesen sein. „Wenn Ihr Euch die Hände wascht, nehmt bitte die Verbände ab — nicht, dass Eure Eltern sich erschrecken.“ Jetzt erntet Rachel neidische Blicke, sie darf ihren besonders dramatisch aussehenden Kopfverband behalten — in der Pause ist sie gegen die Glastür des Turnraums gelaufen.