„Es geht um Diebstahl, Drogen oder Schlägereien“

Annette Kirchhoff engagiert sich inzwischen seit zehn Jahren mit großer Leidenschaft als freiwillige Jugendschöffin bei Gericht.

Foto: Achim Blazy

Erkrath. Man muss nicht wie Annette Kirchhoff fünffache Mutter, ausgebildete Ärztin, Mitglied einer Partei, Vorsitzende eines Jugendhilfeausschusses und obendrein noch engagiert in der Kirche sein. Erziehungserfahrung haben, in Kontakt mit Kindern und Jugendlichen sein und über das verfügen, was man gesunden Menschenverstand nennt — mehr brauche es gar nicht, um Jugendschöffe, also ehrenamtlicher Richter in der Jugendgerichtsbarkeit zu werden, sagt Annette Kirchhoff.

Es sei auch keine wie auch immer geartete juristische Vorbildung gefragt, im Gegenteil: „Jugendschöffen, die in einem Verfahren immer zu zweit im Einsatz sind, sollen unvoreingenommen an einen Fall herangehen, das Geschehen verfolgen, Zeugen und Angeklagten zuhören und sich dann ein Urteil bilden. Es geht meist um Diebstahl, Drogengeschichten oder Schlägereien, und bestraft wird in der Regel mit Geldbußen oder Sozialstunden“, erzählt Kirchhoff aus ihrer zehnjährigen Erfahrung (zwei Amtszeiten).

Sie hatte es allerdings auch schon mit Missbrauchsfällen zu tun. „Das belastet einen sehr. Wer sich dem als Schöffe nicht gewachsen fühlt, kann solche Fälle aber ablehnen“, sagt Kirchhoff. Sie will auch eine dritte Amtszeit (fünf Jahre) antreten, denn die Städte haben es immer schwerer, Freiwillige für dieses Ehrenamt zu finden, berichtet Erkraths Stadtsprecher Christian Knippschild. Derzeit suchen sie wieder. Erkrath beispielsweise muss 60 mögliche Schöffen finden, aus denen dann die 30 am besten geeigneten Kandidaten ausgewählt werden.

Eine Amtszeit lang war Annette Kirchhoff am Amtsgericht Mettmann im Einsatz, die zweite am Wuppertaler Landgericht. In Mettmann war sie einmal monatlich für einen Sitzungstag tätig, in Wuppertal hatte sie bislang erst drei Einsätze. Der zeitliche Aufwand halte sich also im Rahmen (Berufstätige werden dafür freigestellt), zumal es für Schöffen keine Akteneinsicht gebe, also auch keine lange Vorbereitung durch Aktenstudium.

Vor einer Sitzung gebe es lediglich ein kurzes, einführendes Gespräch mit dem Richter und dem jeweiligen Schöffen-Kollegen. Unverbindlich ist ein Schöffenamt aber nicht: Wer es innehat, muss die Verfahren zuverlässig von Anfang bis Ende verfolgen, denn er ist ebenso wie der Richter voll stimmberechtigt, sein Wort hat also Gewicht und kann das Urteil beeinflussen. Zweimal war Annette Kirchhoff anderer Meinung als der Richter und konnte ihn bei der Urteilsbesprechung im geschützten Raum auch überzeugen: In einem Fall fand sie die Zeugenaussagen nicht plausibel, in einem anderen die Strafe zu mild. Einmal sei sie auch von einem Verurteilten beschimpft worden. Als Schöffe sollte man also eine gestandene Persönlichkeit sein, sagt Kirchhoff.

Ihre wichtigste Erkenntnis aus den vielen Einblicken, die sie während ihrer Schöffentätigkeit gewonnen hat: Prävention ist alles, damit Jugendliche erst gar nicht vor Gericht landen. „Ich habe viel dazugelernt, das wirkt zurück auf meine politische Arbeit“, sagt sie. So halte sie mittlerweile viel von Gefängnisbesuchen — zuletzt mit einer Firmgruppe in der Ulmer Höh’ — und „Knast auf Probe“ zur Abschreckung, um Jugendkriminalität einzudämmen.