Flüchtlinge feiern einen ganzen Tag lang das Neujahrsfest

Iraner, Kurden und Afghanen begingen in der Notunterkunft an der Albert-Schweitzer-Schule „Nouruz“, den „neuen Tag“.

Foto: Olaf Staschik

Hilden. In ihrer Heimat wäre Fryal Hamada (45) heute besonders früh aufgestanden. Sie hätte frische Lebensmittel auf dem persischen Markt eingekauft und das Essen für das Neujahrsfest vorbereitet. Bisher ist jeder 21. März ihres Lebens so verlaufen. Ihre Mutter hatte Fryal das so vorgelebt, als sie selbst noch ein Kind war. Denn der letzte Tag des Neujahrsfestes „Nouruz“ der Kurden und Perser beginnt am Mittag mit einem großen Picknick unter freiem Himmel, und es endet spät am Abend, mit Tanz und lauter, arabischer Musik im Park.

Aber dieses Jahr? Ist alles anders. Fryal Hamada ist in der Notunterkunft an der Albert-Schweitzer-Schule in Hilden. Kochen kann die 45-Jährige hier nicht. Dass die Kurden, Iraner und Afghanen trotzdem den Jahreswechsel feiern konnten, dafür haben die „Johanniter“ rund um Sozialarbeiterin Michaela Neisser gesorgt. „Nouruz“ heißt das Neujahrsfest der persischen Kultur.

„Wichtigster Bestandteil des Festtages ist es, das „Haft Sin“ zuzubereiten“, sagt Neisser. Dieses besteht aus sieben Bestandteilen, die alle mit dem Anfangsbuchstaben des persischen „S“ beginnen müssen. Im großen Saal der ehemaligen Hildener Schule findet sich am Nachmittag genau das auf den reichlich gedeckten Tischen wieder: „Sekke“ (Münzen aus Schokolade), „Sib“ (Äpfel), „Somach“ (persische Gewürze), „Sombol“ (Hyazinthen), „Sir“ (Knoblauch), „Sabseh“ (Weizen) und „Serke“ (Essig). All das nämlich stand auf der Einkaufsliste, die die Flüchtlinge geschrieben und Sozialarbeiterin Lisa Beißel mitgegeben hatten.

Mit einigen Frauen hatte sie sich aufgemacht, um einkaufen zu gehen. Frisches und getrocknetes Obst, Nüsse und Baklava säumten also die Tische in der Unterkunft. Ab 17 Uhr leierten dann auch arabische Klänge durch den Raum. „Halparki Kurdi“, über YouTube gestreamt, ähnelte zumindest dem, wie zeitgleich vermutlich tausende Landsleute in der weit entfernten Heimat zelebrierten. Zum kurdischen Gruppentanz mit den mehr als 40 Flüchtlingen ließ sich Michaela Neisser nicht zweimal bitten.

Vorsätze und Wünsche haben sie an diesem Nachmittag auch gefasst. „Eine friedliche Feier mit allen Freunden hier“, wünschte sich der 15-jährige Mohammed. Er habe sich vorgenommen, so schnell es geht Deutsch zu lernen. Unter den Erwachsenen einte alle ein anderer Wunsch für das neue Jahre: „Bald in ein eigenes Zuhause ziehen, nur mit meiner Familie“, sagte Fryal Hamada. Auch Haji Azad (33) aus dem Irak wünscht sich das — für seine Frau, die beiden Töchter und sich.

Neisser wollte an diesem Tag keine neuen Vorsätze für das Jahr definieren. „Das habe ich ja an Silvester gemacht.“ Und fügte leise einen Nachsatz hinzu, der die Flüchtlinge bereits so früh im neuen Jahr hoffen lassen dürfte. Denn alle 134 Bewohner der Unterkunft sind laut Neisser bereits zulassungsfähig.

„Eine kleine Wohnung für die einzelnen Familien in 2016 ist realistisch.“ Diesen, wohl schönsten Neujahrsgruß flüsterte sie nur. Er ging im „Halparki Kurdi“ aus der donnernden Musikbox unter. Dabei passte er perfekt zu dem jahrtausendealten Fest des Lichts, dass das Überwinden des Alten feiert.