Jubiläum in Gruiten Geschichte ist am Stammtisch stets lebendig

Haan · Seit 20 Jahren trifft sich der Stammtisch „Gruitener Geschichte(n)“. Bei der 575. Zusammenkunft gab es einen besonderen Rückblick.

Lothar Weller schneidet den Geburtstagskuchen an.

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Ungezählte Stunden haben sie alle in der Gruitener Geschichte gestöbert, alte Dokumente gesucht, entdeckt, gesichtet und bewertet, verschollen Geglaubtes wiedergefunden. Der Fundus der Gruitener Archive ist auf zigtausend Blätter Papier, zigtausend Bilder und Dias, hunderte prall gefüllte Ordner, Dutzende Regalmeter angewachsen, enthält aber auch Gegenstände wie den alten Posaunenengel vom Kirchturm oder den Gehrock von Rudolf Vömel (von 1899 bis 1931 Pfarrer der Gemeinde). Ein ganzer Stapel mobiler Festplatten hält die digitalisierten Daten und ihre Sicherungen fest.

2003 waren es Otto Heinze, Peter Kratz und Lothar Weller, die von Spitzböden, aus allen denkbaren Winkeln und sogar im Sumpfkeller des Pfarrhauses alles zusammentrugen, was irgendwie mit der Geschichte der Evangelisch-reformierten Kirchengemeinde zusammenhing. Peter Kratz hatte die Initiative gegeben, der damalige Pastor Peter Gerhardt unterstützte die Aktion, bei der auch eine Menge Weltliches ans Licht kam.

Zwei oder drei Jahre kalkulierten die „Schatzsucher“ damals für ihre Arbeit, die ein Jahr später mit der Gründung des Stammtisches „Gruitener Geschichte(n)“ an die Öffentlichkeit geholt wurde. Aus dem befristet (gedachten) Engagement sind inzwischen mehr als zwei Jahrzehnte geworden. Und der monatliche Stammtisch blickte jetzt auf 20 Jahre und 575 Treffen zurück. Zur Feier des Tages brannte auf einem der vielen Kuchen nicht nur eine Kerzen-20, sondern zeigte Josef Ahrweiler, Verleger des Gruitener Heimatkalenders, auch einen gut einstündigen Zusammenschnitt seiner drei Gruiten-Filme – der Spaziergang von der Vohwinkeler Straße durch das Dorf zur Grube 7 ermöglichte viel Vergleiche zwischen damals und heute.

Diese erstmals vorgeführte Kompakt-Fassung ist bereits 15 Jahre alt. Und mehrfach fiel auf, dass Fakten von 2009 heute nicht mehr aktuell sind. Beispielsweise geht der Begriff „Welschenmauer“ nicht auf Fremde zurück, sondern auf das bis 1902 an der Friedhofsmauer stehende Welschenhaus. Und ist seit den Erkenntnissen aus Grabungsarbeiten am alten Nikolausturm von 2013 wahrscheinlich, dass eine zugehörige frühere Kirche wohl schon vor 1075 bestanden hat.

Blick ins Archiv: Dutzende Regalmeter sind mit Ordnern, Diakästen und historischen Sammlungsstücken gefüllt. Für die großen Schätze gibt es mehrere feuerfeste Schränke.

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Schon beim ersten Stammtischtreffen am 2.9.2004 war ein „Konfessionsverschiedener“ unter den Teilnehmern. Die Runde wurde bald ökumenisch – und darüber kam es auch zu dem Glücksfall, dass das „evangelische“ Archiv Zugang zum Fundus der katholischen Gemeinde erhielt. Darin fanden sich Anmerkungen zur Gründung der evangelisch-reformierten Kirchengemeinde.

In den Gruitener Archiven sind heute die Archive der beiden Kirchengemeinden (inzwischen auch das aus Schöller) zusammengefasst, aber auch die Archive der Familien Breidbach, Ahrweiler und Kuth sowie mehrere private Sammlungen. Weil mittlerweile immer mehr Daten auch online aufzufinden sind, wächst der Bestand zusehends. Von unschätzbarem Wert sind aber die Originale – so etwa ein Vertrag aus dem Jahr 1528 über ein Fischereirecht für einen Düsselabschnitt.

Bei fast jedem Stammtisch-Treffen kommt neues Material hinzu. Da bringt ein Besucher ein Fundstück mit, das eingescannt, per Beamer präsentiert und dann besprochen wird. Die Schwarz-Weiß-Fotos einer Fronleichnams-Prozession, die Montag ein Gast mitbrachte, werden dann wohl beim nächsten Treffen erörtert. Denn am 16. September wurde „nicht gearbeitet“, sondern gefeiert. Und zum Rückblick gehörten auch Glückwünsche und Gratulationen. So überreichte Pastor Kurt Erlemann namens der Kirchengemeinde einen Restaurant-Gutschein an das Lothar und Elke Weller, ohne die die 20 Stammtisch-Jahre nicht möglich gewesen wären.

Josef Ahrweiler sprach vielen Gästen aus der Seele, indem er anmerkte, das Stammtisch-Format sei genial. Jeder könne Themen ansprechen, jeder könne mitreden und es gebe viele, die wirklich noch etwas aus alter Zeit zu berichten wüssten. Pastor Erlemann lüftete ein kleines Geheimnis: Derzeit sei ein „überzeitlicher Kalender“ in Arbeit, der etwa Daten aus der Gemeindegeschichte festhalte.

Auch ein Blick in die Zukunft wurde möglich. Lothar Weller – inzwischen 77 Jahre alt – stellte die Historikerin Marie-Dominique Fabry vor, die seit kurzem zum Archiv-Arbeitskreis gehöre und dereinst seine Nachfolge antreten wolle.