20.000 Kilometer unter dem Roten Kreuz Fotoausstellung im Fabry-Museum um spannende Exponate ergänzt

Hilden · Eine aktuelle Fotoausstellung im Wilhelm-Fabry-Museum zeigt einzigartige Privataufnahmen zweier Mitarbeiter des Roten Kreuzes zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Nun konnten die Kuratoren ihr kurzfristig weitere Erinnerungsstücke aus Familienbesitz hinzufügen. Eines davon erzählt eine fesselnde Geschichte.

Kurator Michael Ebert präsentiert das neue Exponat der Fotoausstellung. Deutlich zu erkennen: der Einschlag eines Granatsplitters.

Foto: Köhlen, Stephan (teph)

(tg) Eigentlich war die Ausstellung „20 000 Kilometer unter dem Roten Kreuz“, die im Wilhelm-Fabry-Museum zu sehen ist, an sich ja schon spannend genug. Sie zeigt eine Auswahl von Fotos aus dem Nachlass des Ehepaares Elisabeth und Walter von Oettingen. Die Mediziner deutschbaltischer Herkunft waren sowohl im russisch-japanischen Krieg 1904/1905 als auch im Ersten Weltkrieg für das Rote Kreuz aktiv und dokumentierten ihre Erlebnisse mit der Kamera.

Ein nun neu hinzugekommenes Exponat erzählt viel von den dramatischen Umständen, unter denen die von Oettingens gearbeitet haben. Es handelt sich dabei um ein schwarz eingerahmtes Aquarell. Dessen beschauliches Motiv – die pflanzenumrankte Rückseite einer gotischen Klosterkirche – steht in krassem Gegensatz zu seinem Schutzglas. Dieses ist an einer Stelle zerborsten; ein fingerbreites Loch und tiefe Risse zeugen von einem heftigen Einschlag.

Das Bild stammt aus dem Besitz Elisabeths von Oettingen. Gemalt hat es Franz Hoffmann-Fallersleben, Sohn des Dichters des „Deutschlandliedes“ und Verehrer Elisabeths. Es hing an der Wand ihres Abteils in dem Lazarettzug an der Westfront im Ersten Weltkrieg, auf den die französische Luftwaffe im Mai 1918 einen Angriff verübte. Ein Granatsplitter durchschlug das Gemälde und tötete einen Hauptmann im Nachbarabteil. Elisabeth überlebte und vermachte das Objekt später einer Tochter. Aus deren Händen ging das Bild in den Besitz Arveds von Oettingens über.

Der in Hessen wohnende Rentner ist der letzte lebende Enkel der von Oettingens. Die Kuratoren Sandra Abend und Michael Ebert konnten ihn aufspüren, wenn auch erst nach Beginn der Ausstellung. „Er wusste gar nichts vom umfangreichen Nachlass seiner Großeltern“, erzählt Ebert. Gefragt, ob er noch Erinnerungsstücke besitze, habe Arved ein Handyfoto des Aquarells geschickt. Die Ausstellungsmacher erkannten es sofort wieder: Es gibt ein zwei Wochen vor dem Fliegerangriff entstandenes Foto, auf dem Elisabeth in dem Zugabteil zu sehen ist. Im Hintergrund: das unbeschädigte Gemälde. Gemeinsam mit Fotos und Postkarten des betroffenen Lazarettzugs hat es nun einen prominenten Platz in der Ausstellung. Sandra Abend freut sich: „Dank Arved von Oettingen wissen wir jetzt, wie die Geschichte der Familie weitergeht. Alles fügt sich zusammen.“ Im Juni wird der Fotografen-Enkel persönlich von dieser Geschichte berichten: bei einem Podiumsgespräch im Fabry-Museum. Hilden kennt er übrigens. Denn als ehemaliger Oberstleutnant hatte er mal ein Seminar in der Waldkaserne.

(tg)