Umstürzende Bäume in Haaner Wäldern Wie lebensgefährlich darf ein Waldstück sein?
Haan · Der Gruitener Jürgen Becker ist angesichts einer zunehmenden Zahl von Bäumen, die auf Waldwege stürzen, sehr beunruhigt. Einige Vorfälle aus den vergangenen Wochen hat er dokumentiert.
Seit 38 Jahren wohnt Jürgen Becker nun schon in seinem Haus in Gruiten-Dorf, und seit etwa 30 Jahren joggt er in der Regel dreimal pro Woche immer dieselbe Strecke: von zu Hause aus bis zur Winkelsmühle und wieder zurück. Dabei hat er festgestellt, dass in den letzten Jahren in immer kürzeren Abständen große Bäume im Düsseltal umgestürzt sind, etliche davon auf beziehungsweise über den Wanderweg, der ein Teil des Neanderlandsteigs ist. „Ich habe in den letzten Jahren mehrfach nach einem solchen Ereignis den jeweils zuständigen Förster mit der Hilfe von Fotos und Standortdaten darüber informiert“, berichtet Becker, der stets darum bat, den Weg auf gefährliche Bäume hin zu untersuchen und diese dann zu beseitigen. „Es wurden allerdings immer nur die den Weg versperrenden Baumstämme zersägt und beiseite geräumt“, kritisiert er. Die Bäume mit gefährlicher Seitenneigung, die auf den Weg zu kippen drohten, seien aber stehen geblieben, fügt er hinzu.
Im Verlauf der letzten drei Wochen sind Becker zufolge nun erneut zwei Bäume umgestürzt. „Ein riesiger Baum ist an einem steilen Hang auf einen Abzweig des Talwegs gestürzt, der zweite quer über den Talweg, unmittelbar neben einer Bank. „An derselben Stelle ist vor sieben bis acht Wochen schon ein Stamm aus demselben Wurzelsystem auf den Weg gekippt“, schildert der Gruitener – und angesichts des maroden Wurzelballens sei absehbar, dass über kurz oder lang weitere Stämme an dieser Stelle auf den Weg kippen würden.
„Als ich vor zwei Wochen an dieser Stelle vorbeikam, traf ich auf Volker Borchers, den zuständigen Landschaftswächter und Nachfolger von Hans-Joachim Friebe, der ebenfalls ein Foto machte und im Begriff war, den Vorfall an die Untere Landschaftsbehörde weiterzugeben“, berichtet Jürgen Becker.
In seinem Gespräch mit Borchers habe er die eingangs erwähnten Vorfälle aus der jüngeren Vergangenheit thematisiert und erneut darum gebeten, den Weg auf gefährliche Bäume hin zu untersuchen und diese abholzen zu lassen. „Herr Borchers brachte volles Verständnis für mein Anliegen auf und verwies von sich aus auf den tragischen Unfall im Herbst 2020, bei dem ein 13-jähriger Junge auf dem Fahrrad fast ums Leben gekommen wäre, als ein Baum auf ihn stürzte“, berichtet Becker.
„Ich konnte es allerdings kaum fassen, als er sagte, solche gefährlichen Bäume dürften im Naturschutzgebiet nicht einmal prophylaktisch abgesägt werden“, führt Becker weiter aus. Anders sei das, wenn eine Straße unter solchen Bäumen verliefe, denn dann gelte das Gebot der Verkehrssicherungspflicht. Der Gruitener kann anghesichts dessen nur sein „absolutes Unverständnis“ zu Protokoll geben – angesichts einer solchen Bestimmung, „bei der der Schutz von Mobilität und Automobilen Vorrang hat vor dem Schutz von Spaziergängern, Radfahrern, Menschen am Rollator, die nicht schnell zur Seite springen können, Kindern im Kinderwagen etcetera.“
Betreten des Waldes
auf eigene Gefahr
Borchers habe ihm den Tipp gegeben, sich an die Untere Landschaftsbehörde zu wenden, habe aber bezweifelt, dass Becker damit etwas ausrichten könne.
Ein Blick auf die Gesetzeslage bestätigt seine Befürchtung: Der Landesbetrieb Wald und Holz NRW hat beispielsweise im Jahr 2019 in einer Veröffentlichung darüber informiert, dass das Betreten des Waldes für Erholungssuchende nur auf eigene Gefahr erlaubt sei: „Für waldtypische Gefahren haften die Waldbesitzenden nicht“, heißt es da. Und weiter: „Dabei sind die Besucherfrequenz sowie eine besondere Bewerbung des Waldweges, zum Beispiel als Premiumwanderweg, irrelevant.“ Regelmäßige Kontrollen wie bei Straßenbäumen seien selbst an stark frequentierten Waldwegen nicht erforderlich. Der Erholungsverkehr habe vielmehr durch die gesetzlich eingeräumte Betretungsbefugnis des Waldes „entschädigungslos das allgemeine Lebensrisiko eines Waldbesuches hinzunehmen“.
Becker will das nicht unwidersprochen hinnehmen. Er sagt: „Es kann doch nicht sein, dass einerseits immer wieder für Wanderwege in den uns umgebenden Wäldern geworben wird – und gleichzeitig bringt man die Leute sehenden Auges in Gefahr.“