Gemeinsam leben lernen in Hilden: Normalität trotz Handicap

Vom Kindergarten über die Schule bis in die eigenen vier Wände.

Hilden. Eva Hüppelshäuser (22) und Anna Dupke (21) sind Freundinnen seit dem Kindergarten. Sie haben gemeinsam die Schule besucht und wollen Ende des Jahres in einen Neubau an der Hochdahler Straße ziehen. Ihr Schritt in die Selbstständigkeit ist nicht selbstverständlich, denn die jungen Frauen sind spastisch gelähmt, an den Rollstuhl gefesselt. Dass sie dennoch ein weitgehend normales Leben führen können, verdanken sie in erster Linie ihren Eltern. Die haben 1986 mit weiteren Betroffenen und Förderern den Verein "Gemeinsam leben lernen" gegründet. Der hat sich seither zunächst für integrative Kindergärten, dann für den gemeinsamen Unterricht von behinderten und nicht-behinderten Kindern an Grundschulen weiterführenden Schulen eingesetzt.

An der Hochdahler Straße entsteht ein Wohnhaus mit Modellcharakter

Damit sollte die Teilnahme am normalen Leben für die nunmehr jungen Frauen nicht enden. Deshalb kämpften die Eltern weiter. Wieder mit Erfolg. Denn nun entsteht an der Hochdahler Straße ein Wohnhaus, das Modellcharakter hat. Dort werden junge Menschen mit unterschiedlichen Handicaps leben. Gestern wurde der Grundstein gelegt. "Die Alternative wäre eine Einrichtung gewesen, in der unsere Kinder nach Behinderung getrennt leben - und mit meistens älteren Bewohnern." Rita Alipas (57), deren Tochter Anne-Kathrin (21) ebenfalls ins Wohnhaus zieht, ist deshalb sichtlich erleichtert, dass das Projekt bald Wirklichkeit ist. "Meine Eltern freuen sich auch", sagt der geistig behinderte Benedict Rutsatz(21), "das erleichtert ihr Leben". Für 21 Familien wird das Haus eine Erleichterung bringen. Deren Kinder werden dort von Leiterin Sabine Brosch (31) und zehn weiteren Mitarbeitern der Graf-Recke-Stiftung betreut. Die finanziert 750000 des 2,2Millionen Euro teuren Projekts. Weitere Geldgeber sind auch die Stiftung Wohlfahrtspflege, die Aktion Mensch und der Landschaftsverband. Auch die Stadt Hilden steuert ihren Teil bei. Sie stellt das Grundstück - als Erbpacht mit Sozialzins. "Ein normaler Preis hätte uns das Genick gebrochen", so Jochen Monhof, der für die Behindertenhilfe der Graf-Recke-Stiftung zuständig ist. "In diesem Haus gibt es für jeden Bewohner die Betreuung, die er braucht", fährt er fort: stationär mit Betreuung, betreute Wohngruppen und betreutes Wohnen. Im Erdgeschoss wird eine Begegnungsstätte mit Café eingerichtet, das die 54 Vereinsmitglieder betreuen. "Und darüber wohne ich." Benedict Rutsatz wäre am liebsten schon am Freitag nach oben gegangen, aber bisher steht nur das Erdgeschoss. Modellprojekt

Betreuung Das in NRW einzigartige Projekt für junge Erwachsene mit unterschiedlichem Betreuungsbedarf vereint zehn vollstationäre Wohnplätze für Behinderte mit Betreuungsbedarf rund um die Uhr, Betreutes Wohnen in Einzel- und Doppelappartements sowie eine Vierer-Wohngemeinschaft unter einem Dach.