Hilden: Absichtlich die Itter geflutet

Der Bergisch-Rheinische Wasserverband führte am Mittwoch Messungen für den Hochwasserschutz durch.

Hilden. Hündin Valle hat am Mittwoch am eigenen Leib erlebt, wie groß die Kraft einer Flutwelle ist. An der Gottschalksmühle war sie in die sonst gemächlich dahin plätschernde Itter gesprungen - und wurde mitgerissen. Erst an der Schwanenstraße konnte sie aus den mehr als einen Meter tiefen Fluten gerettet werden.

Die waren nicht durch Niederschläge angeschwollen - dafür braucht es mehr Regen. Die Wassermassen hatte der Bergisch-Rheinische Wasserverband (BRW) seit Sonntag für Messungen aufgestaut und am Mittwoch kontrolliert in mehreren Schüben abgelassen.

75000 Kubikmeter Wasser warteten im 1956 erstmals gefüllten Rückhaltebecken am Kalstert darauf, in Richtung Hilden zu fließen. Insgesamt passen dort seit der Erweiterung im Jahre 1975 rund 100000 Kubikmeter Wasser hinein. Es ist eines von insgesamt neun Rückhaltebecken, die der BRW an der Itter unterhält, um Hilden und Düsseldorf-Benrath vor Hochwasser zu schützen.

"Wir wollen sehen, wann die Itter überläuft", begründete Peter Schu (52), Geschäftsbereichsleiter Technik beim BRW, die künstliche Flutwelle. Mit der sollte einerseits die Funktion der Sperrschieber am Rückhaltewehr kontrolliert, andererseits die gespeicherten Computermodelle für den Ernstfall mit der Realität abgeglichen werden. Anhand dieser Daten kann der BRW berechnen, wo und wann bei extremen Niederschlägen mit Überschwemmungen zu rechnen ist.

Für die Messungen an zehn Kontrollpunkten entlang der Itter wurde die durchlaufende Wassermenge in drei Durchgängen stetig gesteigert. Normalerweise plätschern maximal 800 Liter Wasser pro Sekunde durch das Sperrwerk. "Heute fließen bis zu 14 Kubikmeter Wasser pro Sekunde in die Itter", so Schu. Die Fließgeschwindigkeit des Baches stieg dadurch auf sechs Meter pro Sekunde. Im Vergleich zum üblichen Spaziergänger-Tempo des Wassers ist das die Geschwindigkeit eines Sprinters.

Knapp 30 Minuten dauerte es jeweils, bis die Scheitelpunkte der künstlich ausgelösten Flutwellen die Innenstadt erreichten. Auch dort schwoll der Wasserstand bedenklich an. Bei jedem Test etwas mehr. Ihr für den Hochwasserschutz gezimmertes Korsett verließ die Itter aber nicht. "Schließlich wollen wir uns nicht vom Bürgermeister fragen lassen müssen, warum wir die Innenstadt unter Wasser gesetzt haben", sagte Schu.

Die hatte in der Vergangenheit (bis zur Erweiterung des Rückhaltebeckens) ohnehin schon öfters unter Hochwasser zu leiden. Am schlimmsten traf es die Innenstadt in den Jahren 1957, 1958 und 1961: Im September1957 ergossen sich 1,8 Millionen Kubikmeter Itter-Wasser in die Innenstadt. 330 Hektar, ein Zehntel des Stadtgebietes, standen damals bis zu einen Meter unter Wasser. Im Juni1961 waren die Pegelstände teilweise noch höher.

Dass Hilden seither von größeren Hochwasser-Katastrophen verschont blieb, ist nicht selbstverständlich. Schließlich ist das Fassungsvermögen der neun Rückhaltebecken mit insgesamt 450000 Kubikmetern nicht unbegrenzt.

Auch die Sperrwerke können nach extremen Regenfällen überlaufen und ihre aus dem Bergischen Land kommenden Wassermassen frei geben. Wenn dann noch die gleiche Menge an Regenwasser aus der städtischen Kanalisation in die Itter fließt, läuft sie über. "Statistisch gesehen passiert das alle 100 Jahre", so Schu: "Vielleicht schon morgen."