Hilden: Jesus-Christus-Kirche - Beim Abschied fließen Tränen

Erstmals wird in Hilden ein Gotteshaus entwidmet.

Hilden. Zum letzten Mal erklangen gestern Gebete und Lieder in der Jesus-Christus-Kirche am Clarenbachweg. Zum letzten Mal hielt Pfarrer Traugott Vitz in der kleinen, mit Holz vertäfelten Kirche seine Predigt. Eine traurige und bedrückte Stimmung herrschte unter den vielen Gemeindegliedern, die sich von ihrer alten Kirche verabschieden wollten. Als nach und nach die liturgischen Geräte entfernt wurden, herrschte Totenstille. Schweigend sahen die Menschen zu, wie Bibel und Leuchter hinausgetragen wurden, wie schließlich das große Kreuz von der Wand gelöst wurde.

Ein Vierjähriger bringt es auf den Punkt: "Mama, was machen die da?"

Einer, der noch nicht begreifen kann, was dort geschieht, fragt mitten in die Stille hinein: "Mama, was machen die da?" Es ist der vierjährige Henry, der oft mit seinen Eltern die Gottesdienste in der Kirche besucht hat. Auf die Frage ihres Sohnes hat Karin Neugebauer keine Antwort. Wie soll sie ihm erklären, dass die Kirche entwidmet wird, in der sie selbst getauft und konfirmiert wurde, in der sie groß geworden ist, in der ihre Familie einen Teil der Freizeit verbracht hat? "So richtig kann ich es ihm nicht erklären. Natürlich weiß ich, dass gespart werden muss. Und ich sehe auch ein, dass unsere Kirche am ehesten auch für andere Zwecke genutzt werden kann. Schade ist es trotzdem." Ganz selbstverständlich macht sie sich mit ihrer Familie auf den knapp drei Kilometer langen Weg zur Reformationskirche. Dorthin zieht die Gemeinde aus dem Hildener Osten, und dort finden auch die liturgischen Geräte wieder Verwendung. Sonntag für Sonntag wurde mit ihnen in der kleinen Kirche der Gottesdienst gefeiert. "Taufen und Einsegnungen, Hochzeiten, Beerdigungen und Jubiläen haben wir hier gemeinsam gefeiert", so Pfarrer Vitz: "Dies ist nun vorbei." Sichtlich bewegt hält er seine letzte Predigt, ehe er den Zug in Richtung Reformationskirche anführt. Viele folgen ihm auf dem drei Kilometer langen Weg, oder sie fahren mit den organisierten Kleinbussen in die Stadt. Auch Lisa Rittel geht zu Fuß. Vor zwei Jahren ist die 15-Jährige in der Jesus-Christus-Kirche konfirmiert worden. Sie hat feuchte Augen, als sie das Gotteshaus verlässt. "Es war eine schöne Kirche. Seit ich denken kann, haben wir hier an den Gottesdiensten teilgenommen." Ob sie sich in der Reformationskirche genauso heimisch fühlen wird, wie in der alten Kirche, weiß sie noch nicht: "Die Reformationskirche ist weit weg. Ich glaube nicht, dass es das Gleiche ist." Es ist eine ganz eigenartige Stimmung, die sich unter den Gottesdienstbesuchern, die an der Prozession in die Innenstadt teilnehmen, breit macht. Viele tupfen sich die Tränen aus den Augen oder schlucken den Kloß im Hals herunter.

Das Gemeindeleben wird in der Reformationskirche fortgesetzt

An der Reformationskirche angekommen verteilt sich die Gemeinde nur langsam in den Bänken. Statt brauner Holzvertäfelung sitzen sie dort zwischen weißen und grauen Steinsäulen. Die Reformationskirche ist ein anderer Bautyp als die entwidmete kleine Kirche, die sich vor allem durch Heimeligkeit und familiäre Atmosphäre ausgezeichnet hat. "Wir sind erst vor einem halben Jahr zur Jesus-Christus-Kirche gekommen und haben uns dort wirklich wohl gefühlt, gerade weil die Kirche so klein ist", sagt Kurt Hoppe, und seine Frau Margarete ergänzt: "So eine familiäre Atmosphäre gibt es eben nicht oft." Nach der Schließung der Jesus-Christus-Kirche müssen sie sich nun abermals eine neue Kirche suchen, "es wird schwierig, wieder so etwas zu finden". "Viele sind heute traurig, verbittert und aufgewühlt", so Pfarrer Ole Hergarten in seiner Predigt in der Reformationskirche. "Aber wir sollten eines nicht vergessen: Wir geben heute die Jesus-Christus-Kirche auf, aber wir geben nicht die Kirche Jesu Christi auf."

Jesus-Christus-Kirche

Auch das Kreuz am Kircheneingang zieht um. Karl-Heinz Weishaupt und Sabine Szepanski demontieren das Kreuz, das am Gemeindehaus Markt20 seinen neuen Platz findet.

Einweihung 1977 wurde der erste Gottesdienst in der Jesus-Christus-Kirche gefeiert. Damals trug Wolfgang Hermann die Bibel in das Gotteshaus hinein, am Sonntag trug er sie auch wieder heraus.