Langenfeld Behördenchef nahm an Erschießung teil
Langenfeld. · Ein Gutachten bestätigt, dass der frühere Chef des Landeskriminalamtes NRW, Friedrich Karst, bei der Massenerschießung im April 1945 am Wenzelnberg in Langenfeld involviert war.
Die Legende, dass die Kripo in der Zeit des Dritten Reiches im Vergleich zu SS und Gestapo „sauber“ geblieben sei, ist längst durch Studien widerlegt. Viel schwerer aber wiegt die Erkenntnis, dass auch die ersten vier Leiter des Landeskriminalamts NRW an Verbrechen im Nationalsozialismus beteiligt waren. So sei Friedrich Karst, Behördenleiter von 1946 bis 1948, in die Massenerschießung am Wenzelnsberg in Langenfeld involviert gewesen. Dies ergibt sich aus einem aktuellen Gutachten des Münsteraner Historikers Martin Hölzl zur NS-Vergangenheit der
LKA-Chefs.
Der gebürtige Barmener Friedrich Karst (Jahrgang 1891) war von 1926 bis 1946 im Erkennungsdienst, Kartei- und Nachrichtenwesen der Kripo Wuppertal beschäftigt. Im Mai 1937 trat er der NSDAP bei, er gehörte also nicht zu den „Märzgefallenen“, die sich nach der Machtergreifung 1933 aus Opportunismus zu der Partei bekannten. Im Nachhinein lasse sich nicht beurteilen, ob er dies aus „politischer Überzeugung“ tat oder sich dem „Anpassungsdruck“ beugte, so Hölzl. Karst gehörte weiteren NS-Organisationen an, wie dem Reichsbund Deutscher Beamter. Als er schriftlich aufgefordert wurde, seinen Nicht-Beitritt zur SS zu begründen, berief er sich auf seine Untauglichkeit infolge einer Kriegsverletzung.
Staatsanwaltschaft Wuppertal vernahm Friedrich Karst nicht
Nicht eindeutig geklärt werden kann, ob Karst auch im 9. Kriminalkommissariat tätig war, das für die erkennungsdienstliche Erfassung der Sinti und Roma in Wuppertal zuständig war, die ab März 1943 ins Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau deportiert wurden. Dagegen ist die Beteiligung Karsts an der Ermordung von 71 Menschen am 13. April 1945 in der Schlucht am Wenzelnsberg zweifelsfrei dokumentiert. In dem Verfahren wegen Mord, Beihilfe zum Mord und Verbrechen gegen die Menschlichkeit, das die Staatsanwaltschaft Wuppertal seit 1948 führte, wurde Karst allerdings nicht zur Sache vernommen, er gab lediglich eine „dienstliche Äußerung“ ab.
Demnach habe er vor Ort den Gestapo-Beamten gegenüber erklärt, für „Erschießungen sei er nicht zu haben“, er habe dann lediglich Gefangene in die Nähe des ausgehobenen Massengrabes geleitet und später beim Zuschaufeln geholfen. Dabei berief er sich auf den Befehlsnotstand. Hölzl hingegen nennt dies eine „Schutzbehauptung“: Einen Befehl Himmlers, Befehlsverweigerer sofort zu erschießen, habe es nicht gegeben. Allerdings, so darf man hinzufügen, machten fanatisierte regimetreue Gruppen mitunter kurzen Prozess mit „Saboteuren“ etc., gerade in der Phase des Zusammenbruchs, der Phase der „enthegten Bestialität“ des Regimes.
Die Staatsanwaltschaft stellte das Verfahren am 20. Juni 1949 ein, Karst ging straffrei aus. Zum Zeitpunkt seiner Aussage war er bereits Leiter des LKA.
Nach den Kriterien des Entnazifizierungsverfahrens galt Karst bei seinem Amtsantritt als „unbelastet“. Er wurde am 3. Juni 1946 zunächst Leiter des Kriminalpolizeiamtes Nord-Rhein und nach Zusammenlegung mit dem Amt Westfalen Leiter der neuen Behörde. Weil er als Kripobeamter nur über einen geringen Dienstgrad und keine höhere Schulbildung verfügte, galt er von Anfang an nur als Übergangslösung. Am 29. Februar 1948 wurde er von Friedrich D‘heil abgelöst, und wurde dessen Stellvertreter (bis 1. Oktober 1954). Weil er also weiter an prominenter Stellung wirken konnte, glaubt Hölzl nicht, dass die Veränderung an der Behördenspitze ursächlich mit den Ermittlungen gegen Karst zusammenhängt, wenngleich der zeitliche Zusammenhang auffällt. Es gab aber keinen Vermerk in seiner Personalakte.