Starke Kinder gegen Sucht

Menschen mit einer ausgereiften Persönlichkeit greifen seltener zu Suchtmitteln. Ein neues Präventionskonzept setzt daher schon bei Kleinkindern an.

Langenfeld. Vom Teer geschwärzte Raucherlungen, Bilder von vollkommen aus der Bahn geworfenen Drogen- und Alkoholabhängigen. So sah Suchtprävention vor ein paar Jahrzehnten aus. Nach der Abschreckung kam die Aufklärung: Ausführliche Informationen über Suchtmittel und ihre Wirkung. Doch funktioniert hat beides nicht als Suchtvorbeugung, sagt Suchtberaterin Silke Hergl.

Die Mitarbeiterin der Awo hat ein Präventionskonzept erarbeitet, in das schon Kindergartenkinder einbezogen werden. Anstatt mit plakativen Mitteln Angst zu schüren, kriegen die Kinder gar nicht mit, dass es in manchen Kita-Angeboten um das Thema Sucht geht. Mit Übungen wird ihre Persönlichkeit gestärkt.

„Einen typisch Suchtgefährdeten Menschen gibt es nicht“, sagt Hergl. Aber es gibt Faktoren, die die Suchtanfälligkeit begünstigen — die ergeben sich aus dem sogenannten „Suchtdreieck“. Eine Ecke ist das Suchtmittel selbst. Wie verfügbar ist es, wie hoch ist die gesellschaftliche Akzeptanz? Auch durch die Umwelt wird das Suchtverhalten beeinflusst: Wie sind Freunde und Familie, was passiert in Schule und Beruf? Dritter entscheidender Eckpfeiler ist die Persönlichkeit: Über welche Fähigkeiten und Kompetenzen verfügt die Person?

Und an die Persönlichkeit richtet sich auch Hergls Präventionskonzept. „Damit ist jetzt nicht das Rad neu erfunden“, sagt sie. Doch ein starker und ausgereifter Charakter greift seltener zu Suchtmitteln. Das weiß sie aus ihrem Arbeitsalltag. „Die meisten Klienten haben die größten Probleme damit, ihre Gefühle wahrzunehmen und sie dann auch zu artikulieren.“ Schon früh soll das bei den Kindern geschult werden. Pädagogen nennen das „Selbstwirksamkeit“. Im Klartext bedeutet dies: Kinder müssen erleben, dass sich etwas ändert, wenn sie etwas sagen oder nicht möchten.

„Viele Übungen werden bereits jetzt in den Kitas angewendet, jedoch nicht unter dem Aspekt der Suchtprävention“, sagt Hergl. In Seminaren schult sie deshalb Erzieherinnen. Sie werden für das Thema sensibilisiert und lernen auf Hinweise in den Familien der Kinder zu achten. „Sucht ist ja etwas, das in den Familien im Verborgenen abläuft.“ Meist ist es die Alkoholsucht.

47 Prozent der Klienten in der Langenfelder und Monheimer Suchtberatung der Awo sind alkoholabhängig. Zwar sei die Zahl der missbräuchlichen Alkoholkonsumenten in Deutschland rückläufig, „aber dennoch sehr hoch“. Besonders deutlich werde dies bei Jugendlichen — Stichwort „Komasaufen“.

Insgesamt hat Hergl zehn sogenannte „Schutzfaktoren“ erarbeitet, die die Kinder vor einer späteren Sucht bewahren. Dazu zählt etwa die Kommunikationsfähigkeit, die Konfliktfähigkeit oder das Wohlbefinden in der Familie. „Aber auch das sind keine hundertprozentigen Rezepte zur Suchtvorbeugung“, sagt Hergl. Selbst wenn eigentlich alles richtig läuft im Leben.