Wie ich ein Leben rettete

Jennifer Klesse-Münch wusste nicht, was eine Stammzellentransplantation für sie bedeutet. Aber sie zögerte keine Sekunde und verhalf einem Jungen, weiterzuleben.

Foto: Matzerath

Langenfeld. Ich hatte mich vor sechs Jahren bei der DKMS registrieren lassen. Nur ein halbes Jahr später erhielt ich die Nachricht, dass ich für einen Patienten als Spenderin in Frage käme. Ich war total aufgeregt. Und glücklich, dass ich die Möglichkeit bekam, einem Menschen die Hoffnung auf ein zweites Leben zu schenken. Gleichzeitig war ich unsicher. Ich wusste ja überhaupt nicht, was auf mich zukam. Trotzdem habe ich keine Sekunde gezögert.

Als Erstes wurde ich medizinisch untersucht. Dabei kam raus, dass man mir Stammzellen aus dem Beckenkamm entnehmen würde. Das ist eher ungewöhnlich. 80 Prozent der Entnahmen werden ambulant über die Armvene durchgeführt. Das dauert vier Stunden und man kann danach sofort wieder nach Hause gehen. Da ich eine ausgeprägte Spritzenphobie habe, war ich aber über die Entscheidung des Arztes sogar eher glücklich.

Meine Familie und Freunde haben meine Entscheidung, Stammzellen zu spenden, zu jeder Zeit unterstützt. Alle waren total stolz auf mich. Das war mir schon ein wenig peinlich. Denn das sollte doch eigentlich selbstverständlich sein. Dann kam der große Tag. Vor fast fünf Jahren, am 7. Dezember 2011, wurden mir Stammzellen entnommen. Vorab wurde ich von den Ärzten der DKMS über alles genau aufgeklärt. Ich konnte jederzeit dort anrufen und alle Fragen wurden immer ausführlich beantwortet. Die Entnahme selbst verlief völlig problemlos. Nach der Spende hatte ich zwar ein paar Tage lang Schmerzen, die sich wie Muskelkater anfühlten.

Erst nach der Entnahme erfuhr ich, dass die Spende für ein fünfjähriges Kind war. Mein Sohn war zu diesem Zeitpunkt genauso alt. Einige Wochen nach der Spende schrieb ich der Familie einen Brief. Zunächst musste eine zweijährige Sperrfrist eingehalten werden, in denen Familien nur anonym Kontakt über die DKMS aufnehmen dürfen. Immer wieder habe ich neue Anläufe genommen, vor allem weil ich Angst hatte, aufdringlich zu sein. Dabei wollte ich doch nur wissen, wie es dem Kind geht.

Wochen darauf erhielt ich Antwort und erfuhr, dass meine Stammzellen dem fünfjährigen Max wirklich das Leben gerettet hatten. Der Brief war rührend geschrieben, voller Dankbarkeit und ich musste vor Freude weinen. Unmittelbar nachdem die Sperrfrist verstrichen war, hat die Familie uns eingeladen — meinen Freund (heute sind wir verheiratet) und meinen Sohn Louis. Um auch anderen Menschen zu zeigen, was man mit einer Registrierung bewirken kann, beschlossen wir gemeinsam, die erste Begegnung öffentlich zu machen. Als ich ankam, gingen wir auf Maxi zu. Er stand bei seiner Familie. Ich ging langsam die Einfahrt hinauf und da standen sie alle: ein Kamerateam, die ganze Familie und Maxi, ein gesunder kleiner Kerl. Ich habe mich vor ihn gekniet und er hat „Hallo Jenny“ zu mir gesagt. Es war einfach überwältigend. Und ich war der glücklichste Mensch auf der ganzen Welt. Inzwischen sind unsere Familien eng befreundet.

Für die erkrankte Petra aus Ratingen hoffe ich sehr, dass viele Menschen an der Aktion am 13. November teilnehmen. Denn nur wer sich registrieren lässt, kann auch als Lebensretter gefunden werden. Wie ich — und jede andere Mutter — möchte auch Petra an der Seite ihres Sohnes bleiben.