Angeklagter: „Ich habe vorbeigezielt“
Im Streit will der Angeklagte auf seine Frau geschossen haben. Diese habe ihn zuvor mit Messern bedroht. Beide hatten getrunken.
Mettmann. Mit der scharf geladenen Pistole auf seine Frau zu schießen — es habe dafür einen Grund gegeben: „Sie hat mich mit Messern bedroht“, erklärt der 65-jährige Angeklagte.
Im Februar vor zwei Jahren soll ein Streit des Paares in der Mettmanner Wohnung der Frau eskaliert sein: „Ich wollte ihr nur Angst machen. Ich habe vorbeigezielt“, sagt der Rentner aus. Er muss sich vor dem Landgericht Wuppertal verantworten.
Der Schuss durchschlug den Kopf der Frau nahe am linken Ohr. Sie überlebte mit schweren Kopfverletzungen. Die Anklage ist sich sicher: Das war versuchter Totschlag.
Zum Prozessauftakt hört die dritte große Strafkammer die Frau als Zeugin. „Schön, dass sie da sind“, begrüßt Richter Ralph von Bargen ernst die 64-Jährige. Die frühere Sekretärin hat den Angriff ihres Mannes nur durch eine Notoperation überlebt. Ihr Stammhirn war verletzt, viele Monate musste sie in Kliniken und Reha verbringen. Den Saal betritt die Frau aus eigener Kraft, gestützt auf einen Rollator. Was genau geschah, weiß sie nicht: „Meine Tochter hat mir gesagt, ich hatte einen Unfall.“
Die in Scheidung lebenden Eheleute grüßen sich nicht. Der Mann hält die Schultern zusammengezogen, schaut auf den Tisch und seine gefalteten Hände. Bei der Polizei hatte er erklärt, nach dem Schuss erst noch eine halbe Flasche Sekt getrunken zu haben, bevor er Hilfe holte.
Erinnerungen hat die Zeugin, aber das Gesicht des Richters wird immer länger. Nie habe sie ihren Mann mit Messern angegriffen. Für so einen Vorfall war die Frau aber schon vor 13 Jahren verurteilt worden — die Akten belegen es. Keinesfalls würde sie trinken, nur vielleicht mal ein Bierchen.
Nach der Tat hatte man aber ihr Blut untersucht: mehr als ein Promille. Mit jeder Antwort seiner Frau lehnt sich der Angeklagte bequemer zurück, lacht schließlich über die Aussagen. „Ich glaube, wir sollten die Vernehmung schnell beenden“, sagt der Richter.
Um Eifersucht sei es am Tattag gegangen, erklärt der Angeklagte. Viel Alkohol sei bei beiden im Spiel gewesen. Seine Frau habe ihm Vorwürfe gemacht: „Wenn sie getrunken hat, wird sie vulgär.“
Ein Gerangel sei in dem Appartement entstanden, schließlich habe seine Frau aus der Küche zwei Fleischermesser geholt. „Sie hat gedroht: ,Ich schlachte Dich. Entweder jetzt oder wenn Du schläfst’“, sagt der Rentner. Da habe er ihr mit der Pistole Angst machen wollen: „Aber sie hat nur gelacht.“
Die schlanke Pistole, die der Angeklagte aus einem Wäscheschrank hervor geholt haben soll, zeigt der Richter vor. Eine halbautomatische, belgische Waffe vom Kaliber 7,65 Millimeter, dazu das Magazin, eine Handvoll Patronen.
„Wenn ich sie hätte töten wollen, hätte ich das anders gemacht“, sagt der Angeklagte. „Es hat doch nicht viel gefehlt“, sagt Richter von Bargen, entspannt die Waffe laut klickend mit geübtem Griff: „Das Argument zieht nicht.“
Wie er in den Besitz der Pistole gekommen ist, will der Angeklagte nicht erklären. Der Umgang mit Feuerwaffen sei ihm aber vertraut. Mehr als 30 Jahre umfassen die Einträge im Strafregister des früheren Gelegenheitsarbeiters, darunter schwerer Diebstahl und Raub.
Im Gefängnis war er schon oft. In der Patronenschachtel, die man bei ihm fand, fehlte fast die Hälfte der Munition: „Ich habe zu Silvester Schreckschüsse abgegeben“, sagt der Rentner.
Der Vorsitzende appelliert an den Düsseldorfer: Die Erklärungen seien nicht glaubwürdig. Zu viele Details würden nicht passen. Der Prozess wird fortgesetzt.