Ein Haaner Physiker forscht am Südpol
Wissen: Benjamin Semburg (26) ist Physiker aus Leidenschaft. Er promoviert an der Uni Wuppertal und unterstützt jetzt einen Kollegen bei Forschungen in der Antarktis.
Haan/Wuppertal. Am 25. Oktober fliegt Benjamin Semburg in Richtung Antarktis. Sechs Tage später wird der 26 Jahre alte Promotionsstudent aus Haan auf der Amundsen-Scott-Station am Südpol erwartet, um mitzuhelfen, einen möglichen Ursprung der kosmischen Strahlung sowie ein exotisches Elementarteilchen, das Neutrino, zu erforschen.
Benjamin Semburg hat an der Uni Wuppertal sein Diplom in Physik gemacht und arbeitet derzeit im Bereich Astroteilchenphysik unter Professor Helbing und Professor Kampert an seiner Promotion. Die Reise an den Südpol hat aber gar nicht so viel mit seiner Doktorarbeit zu tun. "Ich unterstütze meinen Kollegen Andreas Tepe bei seiner Promotion", sagt Benjamin Semburg. "Ich selbst mache noch viel beklopptere Sachen in meiner Promotion."
Aber auch das ist nicht Grund, warum er von seiner Reise an den Südpol erzählt. "Ich will für Physik begeistern", sagt er, "Ich mache sozusagen Öffentlichkeitsarbeit, denn die Physik, die man an der Schule lernt, hat nichts mit dem richtigen Physikerleben zu tun."
Physik sei Grundlagenforschung. "Oft arbeiten wir an einer Sache, von der wir nicht wissen, wie sie am Ende ausgeht", beschreibt Semburg den Reiz seines Studienfaches. Wenn alles richtig gut laufe, könnten Forschungsergebnisse das Weltbild verändern. "Und nicht zu vergessen die internationale Zusammenarbeit", sagt der Physiker. Die bringe ihn schließlich auch an den Südpol.
Und dort, tief in der Antarktis versenkt, wird zurzeit das bisher größte Neutrinoteleskop errichtet - der so genannte IceCube-Detektor. 80 Löcher werden mit heißem Wasser etwa 2500 Meter tief in das Eis geschmolzen. In ihnen werden mit riesigen Fotozellen ausgestattete Glaskugeln versenkt. 60 Stück hängen an einer Kette, die in einem Abstand von 17 Metern in das kristallklare Eis versenkt werden.
Im Jahr 2011 soll IceCube mit einer Größe von einem Quadratkilometer fertig gestellt sein. Das Teleskop soll den Himmel nach Neutrinoquellen absuchen, denn noch ist ungewiss, woher diese Teilchen der kosmischen Strahlung stammen. Fakt ist aber: "Neutrinos fliegen gradlinig weg von ihrem Entstehungsort. Sie reagieren so gut wie gar nicht auf Magnetfelder noch auf andere Planeten. Wenn wir sie zurückverfolgen könnten, würden sie uns ihre Quelle zeigen, erläutert Semburg.
Neutrinos gehen auch durch die Erde. Semburg: "Sollten sie durch Zufall mit der Erde reagieren, werden sie zu Myonen. Diese behalten ihre Bahn aber ebenso bei wie ihre hohe Geschwindigkeit. Dabei ziehen sie einen Lichtkegel hinter sich her, vergleichbar mit dem Überschallkegel eines Düsenflugzeuges.
Dieses schwache Licht nennt man Tscherenkow-Licht, das sich mit empfindlichen Sensoren - den Lichtkugeln im Eis - einfangen lässt. "Wir wollen die Quelle der Neutrinos finden, die man mit dem Lichtteleskop nicht sieht, sagt der Physiker.
Doch noch kennt Benjamin Semburg das Projekt nur theoretisch. Im Gegensatz zu seinem Kollegen war er noch nie am Südpol. "Ich habe mich aber nicht speziell vorbereitet, sagt er. Nur verschiedene medizinische Untersuchungen hat er über sich ergehen lassen. "Die Kleidung wird uns gestellt, sagt er. Schließlich herrschen am Südpol zurzeit 35 Grad minus. Für die Antarktis ist das noch recht warm. Dort ist gerade Frühling. Im Winter kühlt es sich auf bis zu minus 70 Grad Celsius ab.
Doch nicht nur auf die Kälte muss sich der Haaner einstellen. Sein Arbeitsplatz liegt auf 3000 Meter Höhe. "Und es ist 24 Stunden lang hell. Da muss man erstmal seinen Rhythmus finden, fügt er hinzu.
Neutrino Das Neutrino ist ein elektrisch neutrales Elementarteilchen. Es transportiert Informationen aus Regionen des Kosmos, die nur mit Neutrinoteleskopen einsehbar sind. Neutrinos werden weder absorbiert noch von Magnetfeldern aus ihrer geraden Bahn gebracht.
IceCube Am Südpol, bei der Amundson-Scott-Station, wird derzeit das bisher größte Neutrinoteleskop, IceCube, errichtet. Es besteht aus zahlreichen Fotovervielfachern, die in das Eis eingelassen werden. Sie registrieren den Lichtkegel, den die Teilchen in Eis oder Wasser hinter sich herziehen. Mit dem schrittweisen Ausbau nimmt seine Empfindlichkeit von Jahr zu Jahr zu. Wenn IceCube 2011 fertig gestellt sein wird, soll es die Empfindlichkeit von Vorgängerteleskopen um etwa das Hundertfache übertreffen.
Forscher Etwa 200 Wissenschaftler aus acht Ländern wollen mit IceCube den Ursprung der kosmischen Strahlung, das Wesen der Dunklen Materie und exotische Elementarteilchen erforschen. Aus Deutschland sind neben dem Teilinstitut des Deutschen Elektronen-Synchrotons (Desy) in Zeuthen bei Berlin auch die Universitäten Aachen, Berlin (Humboldt-Universität), Dortmund, Mainz und Wuppertal sowie das Max- Planck-Institut für Kernphysik in Heidelberg beteiligt.