Alle paar Zeilen hält die Vorleserin immer wieder inne und fragt die Kleinen nach Details aus den Geschichten. "Was sieht der Igel wenn er in den Spiegel schaut?", will sie wissen. "Sich selbst", kommt prompt die Antwort.

Seit beinahe zwei Jahren, seitdem ihr ältester Sohn den Kindergarten besucht, kommt Tanja Uttendörfer-Jung zum Vorlesen vorbei. Mit welchen Geschichten die 35-Jährige die Jungen und Mädchen unterhält, hängt immer vom aktuellen Lernschwerpunkt im Kindergarten ab.

Zurzeit ist das Thema Herbst angesagt, und während sich vor dem Kindergartenfenster die Blätter verfärben, lernen die Kurzen durch die Geschichte des Igels auf kindgerechte Weise die dritte Jahreszeit kennen. Denn was zunächst wie eine lustige Geschichte klingt, ist in Wirklichkeit ein geschickt konstruierter Schnelleinstieg in die heimische Tier- und Pflanzenwelt. "Wo ist der Hase?", fragt Uttendörfer-Jung den kleinen Eric. Der muss nicht lange suchen, um ihn im Bilderbuch zu entdecken.

Für 20 Minuten steht die 35-Jährige im Mittelpunkt und ist manchmal schwer damit beschäftigt, die Aufmerksamkeit der quirligen Kindergruppe beim Igel und seinen Freunden zu halten. "Man merkt schon, welchen Kindern zu Hause vorgelesen wird", sagt sie. "Viele können nicht lange zuhören." Genau an diesem Manko will sie mit ihren Geschichten ansetzen. "Vorlesen fördert die Konzentration und die Wahrnehmung."

Und nicht nur die Konzentration der Kinder soll gefördert werden. Auch die Sprachfähigkeit der Kleinen profitiert von den Vorlesestunden, wie die Ergebnisse der Sprachtests im Kindergarten gezeigt haben. "Die Kinder, denen viel vorgelesen wird, sind sprachlich besser entwickelt", bestätigt Kindergartenleiterin Christine Henning.

Für ihr ehrenamtliches Engagement, den Kindergartenkindern das Lesen schmackhaft zu machen und damit ihre Sprachfähigkeiten zu schulen, wird Tanja Uttendörfer-Jung in der kommenden Woche mit dem silbernen Lesezeichen der Bürgerinitiative "Unterfeldhaus aktiv" ausgezeichnet.