Haan: Eine Improvisation voller Charme
Organistin aus Paris ging in Haan eigene musikalische Wege.
Haan. Es gibt wohl auf der Welt keine Organistenstelle, die einen ähnlichen Ruf besitzt wie die von Saint Sulpice in Paris. Die Orgel der Kathedrale zählt zu den berühmtesten der Welt. Dort wirkten mit Widor und Dupre ein Jahrhundert lang zwei der bedeutendsten Organisten und Komponisten überhaupt, und auch der derzeitige Titularorganist, Daniel Roth, ist eine der führenden Gestalten der Orgelszene.
Seit 1985 heißt seine Stellvertreterin Sophie-Véronique Cauchefer Choplin. Sie gab am Sonntag im Rahmen des Orgelzyklusses ein Konzert in der evangelischen Kirche in Haan. Ihr Auftritt ist auch ein Produkt der Städtepartnerschaft von Haan und Eu. Geoffrey Chesnier, der Leiter des Kirchenchores in Eu, ist ein Schüler Cauchefer Choplins. Und weil es einen regen Austausch zwischen seinem Chor und der Haaner Kantorei gibt, konnte der Kontakt zu St. Sulpice hergestellt werden.
Die Reise der Organistin von Paris nach Haan wurde schon dadurch belohnt, dass gut 100 Orgelfreunde gekommen waren, um ein Programm zu hören, das unter dem Motto "Raritäten" stand. Es begann mit Bachs einzigem Orgelwerk zu sechs Stimmen. "Aus tiefer Not schrei ich zu dir". Dabei ließ Cauchefer Choplin eine Stimme von Kantor Gerhard Tributh spielen, um dem Hörer das Begreifen dieser so dicht gewebten Komposition zu erleichtern.
Auch in der anschließenden Mendelssohn-Sonate ging sie eigene Wege, denn der deutsche Komponist klang auf einmal wie ein waschechter Franzose. Von tatsächlichen Franzosen folgten darauf eine ganze Reihe von Stücken, unterbrochen von dem ehedem so beliebten Prelude cis-moll von Rachmaninow und beendet durch eine mitreißende Toccata von Henri Mulet (1878-1967). Aber zu Ende war das Konzert da noch nicht.
Zum Abschluss improvisierte die Organistin über eine Melodie, die ihr das Publikum vorschlug. Sie wählte den Choral "Der Tag bricht an und zeiget sich", der ihr bis dahin gänzlich unbekannt war. Das Wunder stellte sich bald ein: Die sonst so streng und unwirtlich klingende Melodie von 1609 verwandelte sich in eine süffige französische Orgelsymphonie voller Charme und Esprit. Paris ist eben nur ein paar Zugstunden von Haan entfernt.