Mettmann „Plötzlich ist der Kreationismus wieder da“

Interview Bärbel Auffermann, Gert Kaiser und Beate Schneider über Religion und Wissenschaft.

Bärbel Auffermann, Gert Kaiser, und Beate Schneider (v.l.) im Gespräch über das Spannungsfeld von Religion und Wissenschaft.

Foto: Alexandra Rüttgen

Frau Auffermann, Frau Schneider, Herr Kaiser, wann hat sich das Thema „Kreationismus“ erstmals bemerkbar gemacht?

Bärbel Auffermann: Das Thema bewegt uns seit 2009, dem Darwin-Jahr. Seitdem beobachten wir den so genannten Kreationismus.


Gert Kaiser: Und es gibt eine wachsende Tendenz. In den USA gibt es Erhebungen, dass weit mehr Menschen an Gottes Schöpfung glauben als an die Evolution. Diese extremen Glaubensrichtungen wachsen viel, viel schneller als die traditionellen Kirchen. Das ist eine neue Situation für uns hier.

Wie empfinden Sie diesen Zweifel an Wissenschaft?

Kaiser: Plötzlich ist es wieder da, dieses Spannungsverhältnis zwischen Religion und Wissenschaft. Wir meinen, dass man einen gewissen Respekt vor religiösen Gefühlen haben muss, aber dass man die wissenschaftliche Position nicht aufgeben darf.


Beate Schneider: Ginge es nur um die Religion, hätten wir als Biologen nichts damit zu tun. Aber es geht ja darum, dass Religion Wissenschaft ersetzen will.


Auffermann: Das liegt vielleicht daran, dass Religionen so viel älter sind als unsere wissenschaftlichen Erkenntnisse.

Wie äußern sich die Zweifel der Kreationisten? Wie werden Sie damit konfrontiert?

Auffermann: Uns erreichen Briefe, E-Mails.


Schneider: Kürzlich forderte uns jemand auf, dass in unserem Museums-Shop auch die Bibel verkauft werden soll. Nach einer Führung hat ein Lehrer eines renommierten Gymnasiums in Düsseldorf ganz offensiv diese Haltung eingenommen, hat sich vor seine Klasse gestellt und den Jugendlichen gesagt, dass sie an all das nicht glauben sollen, was im Museum dargestellt ist.

Wie reagieren Sie darauf?

Auffermann: Unsere Politik ist es, auf solche E-Mails einmal zu antworten, aber nicht, in eine Auseinandersetzung einzutreten.


Schneider: Wir haben die Führung „Schöpfungsglaube und Evolutionstheorie“ entwickelt. In diesen Führungen kommt uns tatsächlich der Kreationismus deutlich entgegen. Das sind gar nicht so sehr die Muslime, sondern Anhänger christlicher Strömungen. Sie bleiben in den Führungen eher still. Man kann aber über Diskussion und Gespräch einen Zugang finden.


Kaiser: Ich bin der festen Überzeugung, Christ sein zu können, ohne die Bibel wörtlich zu nehmen. Ich bin selbst, glaube ich, ein ganz ordentlicher Christ, aber ich glaube, dass die Bibel eine wunderbare Metapher ist.


Auffermann: Wir dürfen uns nicht in eine Rechtfertigungssituation drängen lassen. Es gibt viele solcher Diskussionen, zum Beispiel die der Impfgegner oder die Feinstaubdiskussion. Da flammen lauter solche Dinge auf, die sich über Social Media wie ein Lauffeuer verbreiten. Wissenschaft ist da zu schwerfällig. Sie braucht Zeit, kann sie sich aber in Zeiten von Social Media nicht mehr nehmen.

Hat die Wissenschaft damit einen Sendungsauftrag?

Kaiser: Nein, die Wissenschaft hat keinen Sendungsauftrag. Wir wollen nicht missionieren.


Schneider: Wir müssen fundamental klar machen, wie Wissenschaft funktioniert. Das ist nicht eine Lehre, die vor -zig Jahren festgelegt wurde, sondern es gibt immer wieder neue wissenschaftliche Erkenntnisse, die bisherige Lehren auch verändern können. Genau dieser wissenschaftliche Erkenntnisprozess und die damit verbundenen Methoden müssen dargestellt werden, damit die Wissenschaft nicht von ihren Gegnern als willkürlich verunglimpft werden kann.


Kaiser: Die Schöpfungsgeschichte hat den Zauber der Erzählung, das kann Evolution nicht bieten.


Schneider: Ja, aber gerade die Evolution trifft Aussagen über uns alle, das ist ein grunddemokratischer Prozess. Diese Erkenntnis führt die Menschen in eine ganz andere Richtung als manche Religion.