Leser erzählen Geschichten — durch vergessene Lesezeichen
Büchereien finden Kassenzettel oder Liebesbriefe zwischen den Seiten.
Erkrath/Mettmann. Es ist nicht nur das Gedruckte, das den Leser in andere Welten entführt - es sind auch die Dinge, die die Mitarbeiter der Bibliotheken zuweilen in den Büchern finden, wenn sie von der Ausleihe zurückkehren. Dinge, die beredte Geschichten erzählen können. Wie zum Beispiel der Liebesbrief, den eine Mitarbeiterin der Stadtbücherei Erkrath in Ilija Trojanows „Der entfesselte Globus“ fand: „Eigentlich wollte sie das Buch aussortieren“, erzählt ihr Kollege Dominik Dax. Dann fiel ihr der Brief in die Hände, auf dem handschriftlich geschrieben stand: „Guten Morgen mein Schatz, ich liebe dich und bin froh, dass wir beide zusammen sind!“ Nachdem sie diese Zeilen gelesen hatte, brachte sie es nicht mehr fertig, das Buch wegzuwerfen.
„Wir finden auch häufig Quittungen in den Büchern“, erzählt Dominik Dax, „oder Fotos, Passfotos und Kinderzeichnungen.“ Auch selbst gebastelte Lesezeichen werden oft in den Büchern vergessen. Was so in den Büchern zurückbleibt, verrät auch sehr viel über die Leser, wie Petra Kampf, Mitarbeiterin der Stadtbibliothek Mettmann, erzählt: „Manchmal kann man ablesen, was sie gerade gegessen haben. Da finden sich Salami- oder Ei-Spuren in den Büchern.“ Das ist natürlich nicht wirklich appetitlich.
Auch in Erkrath gibt es solche Erfahrungen. „Wir haben schon Kekse in den Büchern gefunden“, verrät Dominik Dax. Doch nicht nur das, was die Leser beim Lesen gerne essen und trinken, auch wo sie sich aufhalten, wenn sie lesen, kann sich zuweilen erraten lassen, wie Petra Kampf erklärt: „Wir haben schon mehrmals ein einzelnes Blatt Toilettenpapier in Büchern gefunden.“
Dominik Dax, Bücherei Mettmann
Was die Leser im täglichen Leben brauchen, wird vor allem offenbar, wenn sie ihre selbst geschriebenen Einkaufslisten in den Büchern vergessen. Und manchmal gibt es Hinweise auf das bevorzugte Urlaubsziel. „Wir haben schon mal Tickets für eine Fährüberfahrt nach England gefunden“, erzählt Petra Kampf. Da ist sie erst einmal erschrocken, aber dann hat sie auf das Datum geschaut. „Die waren von 2009.“ Also kein Grund zur Besorgnis.
Was auch gerne in Büchern vergessen wird, sind Postkarten. „Aus dem Urlaub“, wie Petra Kampf weiß. Das sei ein Dauerbrenner. Wenn die Dinge von persönlichem Wert sind, wie eben Passfotos oder Fotos von Kindern, von Kindern gemalte Bilder und ähnliches, versuchen die Bibliotheksmitarbeiter, die Besitzer zu kontaktieren. „Die Bücher sind ja gerade abgegeben worden, und so können wir noch verfolgen, wer es abgegeben hat“, berichtet Petra Kampf. „Dann rufen wir an und fragen, ob die Leute es abholen wollen.“
Und so erzählen auch die Leser ihre Geschichten — mal witzig, mal romantisch und manchmal ein wenig unappetitlich.