Mettmann: Erbe mit fatalen Folgen

762 Mettmanner Kinder sind arm. Oft leben sie isoliert vom Rest der Gesellschaft.

Mettmann. 762 Kinder leben in Mettmann von Sozialleistungen. Eine Zahl, hinter der sich vor allem eines verbirgt: Kinderarmut.

Dabei ist es nicht immer nur die materielle Not, die im Vordergrund steht. Sie ist längst nicht mehr an den sozialen Status und die Einkommensverhältnisse gekoppelt.

Was kann und muss getan werden, um den betroffenen Kindern zu helfen? Die WZ sprach darüber mit der Vorsitzenden des Mettmanner Kinderschutzbundes, Barbara Schulenburg, und Geschäftsführerin Sylvia Nelskamp-El Mohammed.

Barbara Schulenburg: Einige Menschen haben angerufen und wollten mit Spenden helfen. Andere haben sich nach der Arbeit des Kinderschutzbundes erkundigt und uns ihre Unterstützung zugesagt.

Sylvia Nelskamp-El Mohammed: Wir haben aber auch immer wieder gehört, dass es arme Kinder in Mettmann doch überhaupt nicht gibt. Wenn man sich darunter Kinder vorstellt, die bettelnd auf der Straße sitzen, stimmt das sicherlich auch. Aber Armut hat in der heutigen Zeit viele Gesichter.

Sylvia Nelskamp-El Mohammed: Ich spreche eher von psychosozialer Armut. Viele Eltern der betroffenen Kinder haben sich bereits aus der Gesellschaft zurückgezogen. Die Kinder erben dann nicht nur die finanzielle Armut, sondern auch Resignation, Depression und Teilnahmslosigkeit.

Barbara Schulenburg: Es gibt auch Dinge, die kein Geld kosten, wie Spaziergänge oder zum Beispiel den Tag der offenen Gartenpforte. Dorthin könnten Familien ja einen Ausflug machen, aber so was findet einfach nicht mehr statt.

Oftmals fehlt einfach der Antrieb, sich über Veranstaltungen in Mettmann zu informieren, die man mit den Kindern besuchen könnte. Wenn kein Geld da ist, nehmen Kinder auch nicht an Schulausflügen teil.

Kindergeburtstage werden nicht gefeiert und Freunde nicht eingeladen, weil man den Gästen nichts anbieten kann. Die Familien geraten in eine soziale Isolation.

Sylvia Nelskamp-El Mohammed: Der Sozialpass ist eine gute Sache. Nur wissen immer noch nicht alle Familien, dass sie einen solchen Pass beantragen können.

Außerdem gibt es viele berufstätige und alleinerziehende Eltern, die nicht mehr Geld zur Verfügung haben als Hilfeempfänger und dennoch keinen Anspruch auf den Sozialpass haben.

Barbara Schulenburg: Ein Aufschrei allein genügt nicht. Die Politik muss auch etwas umsetzen und finanzielle Mittel zur Verfügung stellen. Stellenkürzungen in der offenen Jugendarbeit und Diskussionen über 300-Euro-Beträge für Projekte sind sicher das falsche Signal.

Sylvia Nelskamp-El Mohammed: Die Verwaltung müsste eine zentrale Stelle haben, wo die betroffenen Familien in einer Einzelfallberatung alle Informationen über Hilfeleistungen bekommen, die sie brauchen.

In der Hartz-IV-Gesetzgebung ist geregelt, dass den betroffenen Kindern und Jugendlichen ein monatlicher Betrag von 1,23 Euro für die Freizeitgestaltung zur Verfügung steht.

Hier ist die Stadt in der Pflicht. Es könnte doch zum Beispiel einen Kulturgutschein geben, auf dem man zehn Veranstaltungen abstempeln kann.

Barbara Schulenburg: Ohne Moos nix los. Dieser Satz gilt im Besonderen, wenn man von Kinderarmut spricht. Die freien Träger sind schon jetzt nah dran an den Kindern, es wird schon vieles geleistet.

Für zusätzliche Angebote fehlt einfach das Geld. Ich kann es nur noch mal wiederholen: Wir brauchen keine Lippenbekenntnisse sondern finanzielle Mittel, um Kinderarmut wirkungsvoll bekämpfen zu können.