Schrotthaufen trotz TÜV-Plakette

Immer wieder zieht die Polizei Fahrzeuge aus dem Verkehr, die alles andere als verkehrstauglich sind. Und doch haben sie eine TÜV-Plakette.

Kreis Mettmann. In dieser Woche hat die Kreispolizei — wieder einmal — ein schrottreifes Fahrzeug aus dem Verkehr gezogen. Die Bremse des 25 Jahre alten Lasters war ohne ausreichende Leistung, die Lenkung ausgeschlagen, das ganze Fahrzeug stark verrostet, Sicherheitsgurte und Sitze waren defekt. Motor und Getriebe verloren massiv Öl. Der Lkw war nicht nur eine Gefahr für den 59-jährigen Fahrer, sondern für alle Verkehrsteilnehmer. Das Straßenverkehrsamt legte das Fahrzeug deshalb sofort still. Dabei hatte der Lkw noch eine gültige TÜV-Plakette, bestätigt Polizeisprecher Ulrich Löhe. Wie kann das sein? Das fragt sich auch Löhe selbst: „Die Leute behaupten: Bei der TÜV-Prüfung sei das Fahrzeug in Ordnung gewesen. In der Zeit danach muss es dann ganz fürchterlich gelitten haben. Das zu widerlegen, ist fast unmöglich.“

Wolfgang Partz, TÜV Rheinland

Verkehrsunsichere Fahrzeuge mit TÜV-Plakette sind gar nicht so selten. Das zeigt ein aktueller Fall. Das Landgericht Köln hat am Mittwoch einen ehemaligen TÜV-Prüfer wegen Bestechlichkeit in 235 Fällen zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten verurteilt. Der 63-jährige Diplom-Ingenieur hatte von Juni 2008 bis Juni 2010 Fahrzeugen die bestandene Hauptuntersuchung bescheinigt, ohne sie geprüft oder überhaupt gesehen zu haben. So kamen 1872 Fahrzeuge zu einer gültigen TÜV-Plakette.

Seine Frau und seine Tochter seien damals beide an Krebs erkrankt, sagte der 63-Jährige vor Gericht. Weil er so viel arbeiten musste, habe er keine Zeit für ihre Pflege gefunden und die Prüfberichte einfach gefälscht. Ein ehemaliger Werkstattbetreiber (52) hatte ihm rund 1300 Fahrzeuge zur „Prüfung“ hingestellt. Er zahlte sechs Euro pro „Abnahme“. Das Gericht verurteilte ihn wegen Bestechung in 183 Fällen und Hehlerei in fünf Fällen (in seiner Werkstatt wurden fünf gestohlene Autos gefunden) zu einer zweijährigen Bewährungsstrafe.

Für den TÜV Rheinland — er bietet seine Dienste in NRW, Berlin, Rheinland-Pfalz und Saarland an — arbeiten allein 1400 TÜV-Prüfer. Darunter war früher auch der jetzt Verurteilte. „Er hat kriminelle Energie entwickelt“, sagt Wolfgang Partz, Sprecher Mobilität beim TÜV Rheinland: „Ich verwehre mich aber dagegen, dass das häufig vorkommt. Wir tun alles Erdenkliche, um unsere Sicherheitsstandards zu gewährleisten.“ Der TÜV Rheinland führe selbst verdeckte Tests durch. Sie zeigten, dass auch beim TÜV schon mal Mängel übersehen würden. „Auch wir machen Fehler, weil wir Menschen und keine Roboter sind“, betont Partz. „Wichtig ist, wie man damit umgeht.“

Es gibt offenbar eine ganze Reihe von Möglichkeiten, bei der Hauptuntersuchung zu manipulieren. Ein Beispiel: Nicht nur der TÜV bietet die Hauptuntersuchung an, auch Dekra, GTÜ und andere. Die Firmen stehen untereinander im Wettbewerb. Deshalb möchte der Prüfer in der Regel die Werkstatt als Kunden behalten. Bei Mängeln kann diese versprechen, sie später zu beheben. Lässt sich der Prüfer darauf ein, bekommt die Werkstatt die Plakette. Ob die Reparatur dann tatsächlich auch gemacht wird, weiß niemand.