Ein Pirat, der bald in den Bundestag will

Frank Herrmann ist Landtagsabgeordneter aus Ratingen. Seine Themen sind bundespolitisch.

Foto: Piratenpartei

Ratingen. Lange um den heißen Brei herumreden ist seine Sache nicht. Auf die Frage, woran der Niedergang der einst gefeierten Piratenpartei liegt, sagt Frank Herrmann schlicht: Die interne Organisation der Abläufe habe zu lange gedauert, das Gerangel untereinander sei hart und die Öffentlichkeitsarbeit nicht gut gewesen. Als Neuling im Landtag sei er auch persönlich davon überrascht worden, dass die Tage ganz anders verliefen als eigentlich gedacht und geplant.

Auf den Mangel an Zeit führt es Herrmann auch zurück, dass er in den vergangenen fünf Jahren sehr selten in seinem Wahlkreis Ratingen-Heiligenhaus unterwegs war, zu wenig mit dem Menschen dort persönlich gesprochen hat. „Wir haben die Möglichkeiten, die Social Media bietet, eindeutig überbewertet“: Das sagt ein Politiker einer Partei, die das Netz und seine Möglichkeiten als ihr Thema und ihre Spielwiese erkannt und benannt haben.

Im realen Leben ärgert sich Herrmann über den jahrelangen Stillstand bei den Arbeiten an der Landstraße durchs Schwarzbachtal, gern würde er „den Verkehrsminister in die Wüste schicken“, wie er sagt. Der 56-jährige Landtagsabgeordnete, der auch am Sonntag wählbar sein wird, macht sich nichts vor. „Als Direktkandidat hole ich den Wahlkreis nicht, und auf der Landesliste stehe ich nicht.“ Ob die Piraten überhaupt noch einmal in den Landtag einziehen, will er nicht bewerten, die Umfragen sehen das zumindest nicht vor. Für Herrmann ist das allerdings kein Grund, seiner Partei, der er seit 2009 angehört, den Rücken zu kehren. Im Gegenteil. „Meine Themen“, sagt er, „sind Netzthemen. Die gehören ohnehin in den Bundestag, dort werden die Gesetze dazu gemacht.“

Ergo will Herrmann im September ins Berliner Parlament einziehen. Die Chancen der Piraten dafür sind sicher zu einem späteren Zeitpunkt zu bewerten. Apropos Bewertung. Kollegen aus anderen Fraktionen, die wie Herrmann ebenfalls seit 2012 im Landtag arbeiten, bescheinigen dem Piraten großen Fleiß. Er sei gewissenhaft und leidenschaftlich, heißt es von einem, der ebenso Mitglied im Innenausschuss ist wie Herrmann. Er habe sich um die Transparenz politischer Arbeit und das Informationsfreiheitsgesetz verdient gemacht.

Wenn Informatik Pflichtfach an Schulen wird, und das ist anscheinend sicher, sei das auch Herrmanns Beharrlichkeit zu danken. Tatsächlich beschreibt er sein Ziel so: „Wir müssen die Privatheit der Menschen in der Zeit der Digitalisierung schützen. Diese Zeit hat gerade erst begonnen, die Herausforderungen sind enorm — wenn wir unsere Privatheit nicht den Unternehmen und der Werbeindustrie überlassen wollen.“

Entsprechend betrachtet er es als seine größten Erfolge, Anstöße zum Datenschutz gegeben zu haben. Fußballfans erführen jetzt, wenn ihre Daten bei der Polizei gespeichert werden. Zugleich habe er mit seinen Mitstreitern versucht, mehr Transparenz herzustellen. „Alle Anhörungen werden jetzt per Videostream gezeigt“, sagt Herrmann, der selbst gelernter Cutter ist und als Filmtechniker gearbeitet hat. Dass sich so wenige Bürger im Land aber für die Anhörungen und die Streams tatsächlich interessieren — das war die eigentliche Neuheit für den und für die Piraten.

Das Interesse gilt eher anderen Themen. G9 und die Kapazitätserweiterung des Flughafens etwa. Herrmann ist für G9 und gegen mehr Flugverkehr. Als drängend empfindet er es, mehr Wohnraum zu schaffen, hat sich für menschenwürdige Unterkünfte von Flüchtlingen stark gemacht. Stets sei er mit „seiner“ Materie gut vertraut gewesen, sagen andere Abgeordnete über ihn. Ob das zählt, wenn es um den Einzug der Piraten in den Bundestag im September geht?