Mit einem Schubs zum Vollblutkarnevalisten

Im Spätsommer 2015 wurde Michael Tillmann zum Auftritt gezwungen. Seitdem kann er sich Bühne und Auftritte nicht mehr wegdenken.

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Ratingen. „Ich habe ja lange gebraucht, um aktiv beim Karneval mitzumischen“, resümiert Michael Tillmann seinen Weg. Dann aber bekam er nicht bloß sprichwörtlich einen Schubser. Eigentlich wollte er bei der Gesangsgruppe der Roten Funken namens Hahnenschrei bloß wie immer hinter den Kulissen tätig sein. Dann hieß es: „Du hast doch mal Musik gemacht, oder?“, erinnert sich Tillmann. „Dann bekam ich ein Mikrofon in die Hand gedrückt und wurde Richtung Bühne geschoben.“

Das war im Spätsommer 2015. Und seitdem ist Michael Tillmann, der in seiner Jugend das Orgelspiel erlernt hatte und noch lange Keyboard spielte, begeisterter Mitsinger im Hahnenschrei. „Über den Stupser bin ich nicht sauer, sondern dankbar“, sagt er rückblickend. Diesen Impuls habe er irgendwie gebraucht, um aktiv zu werden.

Michael Tillmann

Klar ist für den gebürtigen Dumeklemmer, geboren im katholischen Krakenhaus an der Oberstraße, aufgewachsen in Breitscheid und längst mit Ehefrau Heike und Sohn (19) in Lintorf lebend, Karneval die schönste Jahreszeit. „Ich freue mich auf jeden einzelnen Auftritt“, sagt der 53-Jährige über die anstehenden Termine. Bis Aschermittwoch ist der Terminkalender - natürlich - randvoll. Außer der Großen Funkensitzung geht es beispielsweise für Gastspiele nach Düsseldorf, Mettmann, Monheim, Kettwig und Köln. Ganz besonders freut er sich auf den Ausflug im März nach Obertauern.

„Jeder Auftritt ist ein besonderes Ereignis, denn man weiß vorher nie, wie das Publikum ist.“ Eines der Hahnenschrei-Geheimnisse ist ja, „immer individuell auf Wünsche der Zuhörer zu reagieren. Wir entscheiden auch schon mal kurzfristig, was wir singen und was nicht.“ Bevorzugt schmettert Tillmann, im Brotberuf übrigens Bankkaufmann, für den Seriosität oberstes Gebot ist, die eigenen Lieder. „Dume huch un mahke“ ist nach seinem Geschmack ein Knaller, wer sich schon mal in Sachen Textsicherheit und Rhythmussicherheit einstimmen will, dem sei das frisch eingestellte Video auf youtube empfohlen. Übrigens ist das Lied auch ein Wettbewerbsbeitrag - noch kann auf Antenne Düsseldorf in der sogenannten närrischen Hitparade gevotet werden, ob es das Rennen um den Karnevalshit dieser Session macht.

Um selbst die närrischen Ohrwürmer, also das Hahnenschrei-Repertoire, zu erlernen, nutzt der Hahnenschreisänger die tägliche Strecke aus Lintorf zum Job in Düsseldorf. „Da lasse ich unsere CDs laufen und singe fröhlich mit.“ Manchmal kassiert er irritierte Blicke aus Nachbarfahrzeugen. „Kurbele ich im Sommer ein bisschen das Fenster runter, sind die Leute natürlich irritiert, Karnevalsmusik zu hören.“

Aber Hahnenschrei, auch das ist ein wesentliches Unterscheidungsmerkmal zu anderen karnevalistischen Gesangstruppen, sind nicht nur während der Fünften Jahreszeit ein Knaller, sie funktionieren auch außerhalb der Saison. Und werden gerne gebucht. „Meine Frau macht das alles gerne mit.“ Schließlich ist sie selbst Jeck und tanzte jahrelang im Hühnerstall, wie die Tanzgarde der Roten Funken heißt.

Letztlich ist dieses närrische Miteinander in der bunt gemischten Hahnenschrei-Truppe ein „fabelhafter Ausgleich zu der Ernsthaftigkeit des Berufs“, sagt Michael Tillmann. Und es ist ein schönes Hobby, das sich auch nach der Pensionierung mal weiterverfolgen lässt.“