Gemütlich wie früher bei Oma

Im Nostalgie-Café sieht man vor lauter Sammlerstücken die Wände nicht mehr. Den Gästen gefällt’s. Sie kommen von weit her zur Bergischen Kaffeetafel in Neviges.

Foto: Simone Bahrmann

Neviges. Immer das gleiche Schauspiel für Lars Jesert. Wenn neue Gäste sein Nostalgie-Café am Nevigeser Dom besuchen, beginnt in der Regel das große Staunen. „Boah“, ist nicht selten die erste Reaktion der Neuankömmlinge. „Erstmal bleiben die Leute ein paar Sekunden stehen, sehen sich um und setzen sich erst dann hin“, berichtet der Gastronom.

Der Blick ins Nostalgie-Café überflutet die Sinne. An den Wänden des verwinkelten Lokals, in dem 200 Gäste Platz finden, hängen Fotos, Plakate, Schilder, Schallplatten, Küchenutensilien, Teller — ein ganzer Flohmarkt. „Jedes Teil erzählt seine Geschichte“, sagt der Koch. „Nur kenne ich sie gar nicht alle.“

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Das Sammelsurium hat Jeser nicht etwa von Trödelmärkten zusammengekauft, es wurde nach und nach im Laufe der vergangenen sieben Jahre von seinen Gästen beigesteuert. „Der größte Teil der Sachen ist nicht von mir“, sagt der 47-Jährige. „Wir haben sogar noch mehr im Keller.“

Jesert ist fasziniert von den 50er Jahre und der Rockabillyzeit. Aber: Der Hausherr betont: „Das ist hier kein Museum. Anfassen ist erlaubt.“ So dürfen die Gäste bei Kaffee und Kuchen in den uralten Bravos blättern oder die „Bild und Funk“ unter dem antiken Schwarz-Weiß-Fernseher hervorziehen. Dieses Wohnzimmergefühl — für Jesert ist das der Inbegriff der Gemütlichkeit. Die Atmosphäre in modernen Restaurants mag er nicht.

„Bei uns sollen sich die Leute fühlen, wie früher bei der Oma zu Hause“, sagt Lars Jesert, dessen Großmutter aus Neviges kommt. An die Besuche hat er noch heute gute Erinnerungen. Und so verwundert es auch nicht, dass sich der gebürtige Wuppertaler in der Küche auch an dem orientiert, was damals so auf die geblümte Tischdecke kam: Kohlroulade, Pfannkuchen und, wenn es draußen ungemütlich wird, Grünkohl.

Über die Jahre hat sich Jesert vom Hobbykoch zum Küchenchef entwickelt. Ursprünglich gelernt hat er einen Handwerksberuf, später war er als IT-Fachmann tätig. Dann kam ihm die Idee, ein Café in Neviges zu eröffnen. „Man muss immer mal was Neues ausprobieren“, sagt er, als sei das damals keine große Sache gewesen. Zumindest mit der Idee, der eigene Chef zu sein, musste sich Lars Jesert nicht neu anfreunden. Das ist er schon seit seinem 21. Lebensjahr.

Die Gastronomie im „Bergischen Hof“ funktioniert als Familienbetrieb. Vater, Mutter und früher auch der Sohn, packen mit an. Manchmal muss das Personal aufgestockt werden, gerade wenn größere Gruppen anreisen. 70 Prozent der Gäste kommen laut Jesert von außerhalb. Sogar aus den Niederlanden. „Seit wir dort im Fernsehen waren, hat das angezogen“, sagt der Café-Besitzer, der fleißig die Werbetrommel für seinen Laden rührt und monatlich 5000 Flyer unters Volk bringt.

Besonders beliebt, gerade bei den Auswärtigen, ist die Bergische Kaffeetafel, die im Nostalgiecafé in mehreren Gängen aufgetischt wird, und gerne mal drei bis vier Stunden dauern kann. Bevor Lars Jesert kerniges Schwarzbrot, süßen Milchreis und Wurstwaren an den Tisch bringt, nimmt sich der Gastronom die Zeit, ein wenig über die Geschichte der Bergischen Kaffeetafel zu referieren, bei der natürlich der Kaffee aus der „Dröppelminna“, einer klassischen Kranenkanne, kommt.

„Bei der Kaffeetafel geht es ja eigentlich nicht ums Essen. Sinn und Zweck ist, dass man mit der Familie zusammenkommt und gemeinsam Zeit verbringt“, sagt der Inhaber. Erfreut nimmt er zur Kenntnis, wenn Gäste in seinem Lokal die Zeit vergessen und viele Stunden beim Kaffee verweilen. Dann hat das Nostalgie-Café sein Ziel erreicht.