Homberg: Robin Hood vom Backeskamp

Peter Smolinski aus Homberg baut alte Bogen nach historischem Vorbild.

Homberg. Mit einem leisen "Zisch" schnellt der Pfeil aus der Bogensehne und bohrt sich wie von einem Katapult abgefeuert zitternd in einen Reisighaufen. "Früher wurden damit Rüstungen und Schilde durchschlagen", grinst Peter Smolinski noch leicht außer Puste.

Das Spannen des englischen Langbogens aus dem 15. Jahrhundert hat sichtlich Kraft gekostet. Es geht in die Arme - "und gewaltig auf den Rücken", betont er. Der 62-Jährige weiß, wovon er spricht, denn in den vergangenen 25 Jahren hat er unzählige Pfeile in ganz Europa verschossen.

Peter Smolinski, im Hauptberuf Konstrukteur beim Ratinger Schaltanlagenbauer ABB, ist Bogenbauer aus Leidenschaft. Aber er stellt nicht irgendwelche Bogen her. Ihm haben es Nachbauten längst vergangener Kulturen angetan.

Ob die mehr als mannshohen englischen Langbogen, die etwas wuchtigeren Wikingerbogen oder die kleineren, weil auf der Jagd handlicheren Bogen der nordamerikanischen Prärie-Indianer - in der urigen Keller-Werkstatt am Backeskamp in Ratingen-Homberg findet sich archaisch Anmutendes aus allen Epochen und Erdteilen.

Fast zwangsläufig hat Smolinskis Hobby vieles mit experimenteller Archäologie zu tun. Schließlich sollen die Replikate so originalgetreu wie möglich sein. Einiges weiß man aus Funden beispielsweise aus Grabbeigaben, anderes kann dagegen nur gemutmaßt werden.

"Da kommen dann das Wissen über die Zeit und Erfahrungswerte zum Zuge", erklärt der 62-Jährige, der selbst bei seinen Werkzeugen Wert auf Authenzität legt. "Es ist schon beeindruckend, wie präzise mit einem Steinmesser geschnitzt und geschnitten werden kann. Da kommen heutige, handelsübliche nicht mit."

An einer besonderen Herausforderung arbeitet der 62-Jährige bereits seit zwei Jahren: an einem Bogen aus der Skythen-Zeit. Die Skythen waren ein Reiternomadenvolk, das im 1. Jahrtausend vor Christus im eurasischen Steppengürtel zwischen dem Jenissei in Sibirien und der Pannonischen Tiefebene in Ungarn lebte.

"Leider gibt es nur rudimentäre Fundstücke", erklärt Smolinski. "Was man weiß, ist, dass sie Wacholder benutzten, um ihre extrem biegsamen Bogen herzustellen." Um mehr zu erfahren, besuchte er die berühmte Ausstellung "Das Gold der Skythen" in Berlin und ließ sich von Fachleuten vor Ort inspirieren.

Sein Wissen behält Peter Smolinski im Übrigen keinesfalls für sich. Er tauscht sich mit Gleichgesinnten aus oder gibt es weiter - auch und vor allem an Kinder. "Für die ist es das Größte, in diese längst untergegangenen Kulturen einzutauchen", strahlt er bei den Gedanken an die Steinzeit-Werkstatt im Neanderthal Museum. In Zusammenarbeit mit dem Leiter Dr. Johann Tinnes bietet er regelmäßig Bogenbau-Seminare an.

Zurzeit ist Peter Smolinski in Dänemark - und verbindet seinen Familienurlaub mit Frau, Tochter, Schwiegersohn und Enkeln wie in jedem Jahr mit der Teilnahme an einem waschechten, prähistorischen Wikinger-Markt. Den gibt es übrigens schon seit Anbeginn der Zeit: immer am 27.Juli auf einem wild-romantischen, gischt-gepeitschten Küstenplateau nahe der Stadt Odder.