Wülfrath Geigerin entdeckt ihre Liebe zum Tango
Wülfrath. · Julia Carola Jech unterrichtete am Gymnasium Musik und will jetzt mit ihrem Duo-Partner Fabián Carbone ein eigenes Album produzieren. Dafür haben sie bereits Geld gesammelt.
Es schien ein recht gewöhnlicher Tag im Madrid des Jahres 2001 zu werden. Ein wenig Melancholie des nahen Abschieds lag in der Luft. Die junge Austauschstudentin Julia Jech besuchte zum letzten Mal ihren Geigenmeisterkurs, als sie plötzlich der Tango-Blitz durchfuhr. „Ich war maximal beeindruckt“, schildert die studierte Musikpädagogin jenen Moment, in dem sie erstmalig den argentinischen Bandoneonisten und namhaften Tango-Interpreten Fabián Carbone als Gastdozenten spielen hörte.
Welche Magie genau damals die Liebe zum Tango in ihr Herz pflanzte, hat sie inzwischen durchschaut: „Wenn das Bandoneon so gut gespielt wird, ist es einfach ein Trauminstrument.“ Jech liegt das Musizieren im Ensemble. Solistische Konzerte zu geben, kann sie sich gar nicht vorstellen. Mit Gitarristen und Pianisten spielt sie gerne zusammen, doch erst durch das Zusammenspiel mit Carbone hat sie ihr Wunschduo gefunden: „Es fällt mir leicht, meinen Klang mit dem Bandoneon zu verschmelzen. Das ist wie eine Musikwolke, die mich dann umhüllt.“
Vom Schwärmen lässt sich Jech kaum abbringen. Den starken Charakter der träumerischen Version des Akkordeons fängt sie so ein: „Als würde der Klang eine eigene Logik haben, muss man sich ihm nur noch anvertrauen.“ Über viele Jahre – Jech hat unterdessen eine akademische Ausbildung zur Tango-Violinistin in Rotterdam abgeschlossen – haben es die zwei durch zahlreiche Auftritte zur Harmoniereife gebracht, die nun mit einer Studioaufnahme verewigt werden soll. Per Crowdfunding haben sie von treuen Unterstützern einige tausend Euro gesammelt; eine Summe, die es heute für eine gute Produktion braucht.
Ein spanischsprachiger Tonmeister wird noch gesucht, damit Carbone seine weltweit auf unendlicher Konzertreise gesammelte Erfahrung auch voll einbringen kann. Im April wird es soweit sein, plant die selbsternannte Perfektionistin: „Das Album soll den Titel eines Stückes aus unserem Repertoire haben und es soll ein gewichtiges Stück sein.“ Arbeitstitel ist und wird wohl auch Taufname des fertigen Werkes „Años de Solidad“, zu deutsch „Jahre der Einsamkeit“, sein.
Keineswegs trauernd, vielmehr sehnsüchtig sei das gemeint, erklärt Jech: „Ich wünsche mir mehr von jener konstruktiven Art Einsamkeit, bei der man sich besinnend zurückzieht, um ganz bei sich zu sein.“ Komponiert wurde die Ode an die gute Einsamkeit von Großmeister Astor Piazzolla, der darin seinen wendungsreichen Weg erst vom und später zum Tango vertonte.
Jech kann dieses Ringen um den passenden musikalischen Ausdruck gut nachvollziehen: „Irgendwann hat er sich im Tango gefunden, aber in dem Tango, den er selbst erschaffen hat.“ Als sie ihr Tango-Diplom abgeschlossen hatte, führte ihr erster Weg direkt nach Buenos Aires. Als es Jech zurück nach Europa zog, blieb die Wahl zwischen Berlin und Paris.
Entschieden hat sich die Melodiemacherin für die goldene Mitte. Ihre Heimatstadt Wuppertal und der Arbeitsort Wülfrath liegen 500 Kilometer von beiden Hauptstädten entfernt. Überzeugt hat sie Wim Wenders Pina-Film, der das Luisenviertel und seine Umgebung gleich einem Künstlerbiotop preist. Als Abiturientin wollte Jech unbedingt weg in die Welt ziehen, heute lebt sie gerne im Bergischen: „Hier gibt es Berge, hier gibt es Häuser, die aus Stein und nicht, wie anderswo oft, aus Pappe sind, hier gibt es Erde. Es ist alles so handfest.“ Sie schätzt die vielen Auftrittsorte in der Region, wie etwas die Mettmanner Kulturvilla, wo sie mit ihrem „Trio El Flete“ aufgespielte. Überhaupt bieten sich in der Gegend viele Gelegenheiten für die Profimusikerin. Zwei Jahre lang leitete sie Streicherklassen im Gymnasium Wülfrath, und mit der Kalkstädter Band „Bounce“ wirkte sie bei zwei großen orchestralen Konzerten mit.