Lintorf: Schneller zum richtigen Helfer

Junge Erwachsene, die von Obdachlosigkeit bedroht sind, sollen künftig schneller Hilfe erhalten. Dies wurde auf der ersten Jugendkonferenz angekündigt.

Lintorf. Dennis war 18 jahre alt, als seine Welt aus den Fugen geriet. Die Probleme in der Familie wuchsen ihm über den Kopf, er flüchtete sich in die Scheinwelt des Internets.

Bis spät in die Nacht saß er am Computer - mit der Folge, dass er morgens nicht aus dem Bett kam. Er kam ständig zu spät zu seinem Arbeitsplatz, sein Chef verlor die Geduld und Dennis schließlich seine Ausbildungsstelle.

Jetzt machten ihm seine Mutter und sein Stiefvater die Hölle heiß. Statt ihn zu unterstützen, drohten sie mit Rauswurf. Dennis wandte sich an das Jugendamt, um dort Hilfe zu erhalten - und wurde böse enttäuscht. Er war 18 Jahre und damit volljährig. Das Jugendamt war für ihn nicht zuständig. Dann tauchte er für zwei Jahre unter, niemand wusste, wo er war.

Erst im Alter von 20 Jahren kam er auf Empfehlung eines Freundes zur Diakonie, die sich seiner annahm. Er bekam einen Platz im betreuten Wohnen, und in der weiteren Untersuchung kam heraus, dass Dennis aufgrund der frühen Trennung seiner Eltern und des schwierigen sozialen und familiären Umfeldes bedeutende psychosoziale Störungen entwickelt hatte. Erst mit professioneller Hilfe und Betreuung kann es ihm gelingen, wieder Anschluss an die Gesellschaft und sein eigenes Leben in den Griff zu bekommen.

Dennis ist kein Einzelfall. Allein in Ratingen sind schätzungsweise 50 bis 60 Jugendliche und junge Erwachsene akut von Wohnungsnot bedroht; die Dunkelziffer dürfte höher liegen. Gemeinsam haben sie ein Problem: Sie sind verloren im Dschungel der zuständigen Stellen. Fürs Jugendamt sind sie zu alt, für andere Anlaufstellen wie dem Sozialdienst Katholischer Frauen zu jung.

Alle Institutionen sind an Förderrichtlinien gebunden und dürfen nur in bestimmten Fällen helfen - für die jungen Erwachsenen ist es schier unmöglich, vorher herauszufinden, welcher Fall denn nun auf sie selbst zutrifft.

Die Folge ist ein Spießrutenlauf von Stelle zu Stelle, dem sie schlicht nicht gewachsen sind. Das soll zukünftig anders werden; und deshalb fand die erste lokale Jugendkonferenz in Ratingen Lintorf unter dem Motto "Jung, wohnungslos, dropped out - eine Zielgruppe im Dschungel der Hilfesysteme" statt.

Rolf Steuwe, Beigeordneter des Amtes für Soziales, Wohnungswesen und Integration, sagt: "Es ist nicht so, dass es keine Hilfsangebote gibt. Sie sind nur unkoordiniert - es gibt Stellen des Landes, des Bundes, des Kreises; dazu kommen die ganzen Verbände, die auch noch ihr eigenes Süppchen kochen.

Da wissen manchmal selbst die Profis in Ratingen nicht über alle Angebote Bescheid." Deshalb, so Steuwe, soll es in Zukunft eine zentrale Stelle geben, die als Ansprechpartner für die Hilfesuchenden fungiert und alle weiteren Maßnahmen betreut und koordiniert.

Diese Lotsenfunktion soll über bestimmte Projekte hinaus bestehen, damit die jungen Erwachsenen auch langfristig Vertrauen aufbauen können und sich nicht herumgestoßen fühlen.

Um dies in Angriff zu nehmen, kamen über 80 Teilnehmer zur Konferenz; sowohl aus der Politik, von der Arge, der Bundesagentur für Arbeit und dem Sozialamt, als auch aus den unterschiedlichen Verbänden. So hofft Steuwe langfristig Lücken in der Betreuung zu schließen und Doppelangebote abzubauen - damit zukünftig kein Dennis mehr zwei Jahre lang untertauchen muss, weil kein Mensch sich für ihn zuständig fühlt.