Ratingen: Die Kirche muss abspecken

Unter dem harmlosen Titel „Zukunft heute“ will das Erzbistum Millionen einsparen. In Ratingen ist jede Gemeinde betroffen.

<strong>Ratingen. Es waren gleich zwei dicke Kröten, die die Breitscheider Mitglieder der St. Christophorus-Gemeinde in jüngster Zeit schlucken mussten. Beide hatten sie "Zukunft heute" zu verdanken, dem Sparprogramm des Erzbistums. Zunächst ging es ihrem Kindergarten an den Kragen. Die traurigen Optionen, die ihnen aus Köln gegeben wurden: Entweder Gruppen schließen, oder die Trägerschaft abgeben. Der Kirchenvorstand entschied sich zugunsten der Arbeitsplätze und somit dafür, dass der Kindergarten zum 1. Januar an die Stadt übergeben wird. Allerdings schweren Herzens und nicht einstimmig - was eine Seltenheit in Kirchen-Gremien ist. "Einige Eltern werden ihre Kinder jetzt aus religiösen Gründen nach Lintorf bringen, aus praktischen Gründen bleiben die meisten wohl in Breitscheid", schätzt Heinz Schmitz vom Kirchenvorstand.

"Da hätten wir die Kirche ganz schließen können"

Die nächste Baustelle von St. Christophorus heißt Pfarrzentrum. Im wahrsten Sinne des Wortes: Denn große Teile davon sollen umgebaut und danach vermietet werden. Eine Computerschule hat schon für den Jugendtrakt unterschrieben, für den Rest sucht die Gemeinde noch Interessenten. Nur der große Saal bleibt der Gemeinde erhalten, ein Zugeständnis aus Köln, um das Gemeindeleben nicht zu ersticken. "Sonst hätten wir auch gleich die Kirche schließen können", meint Schmitz trotzig.

Von geschlossenen Kirchen ist zwar keine Rede, doch ansonsten macht der Sparkurs der Kirche vor Nichts halt. Breitscheid ist kein Sonderfall. Alle Gemeinden sind betroffen, in jedem Bereich hat das Erzbistum den Rotstift angesetzt. Auch zu Lasten der Kommunen.

In Ratingen sollten ursprünglich 18 Kindergartengruppen geschlossen werden. Da blieb Bürgermeister Harald Birkenkamp keine Wahl: "Wir mussten ja den Rechtsanspruch auf Kindergartenplätze aufrecht erhalten. Die Gespräche waren aber sehr konstruktiv." Das Resultat: Bei sechs Einrichtungen übernimmt die Stadt spätestens 2008 die Trägerschaft. "Das bedeutet langfristig 224000 Euro jährlich", rechnet Birkenkamp vor.

Dabei soll es dann auch bleiben. Für die Pfarrheime, von denen sich das Erzbistum trennen will, fühlt sich die Stadt jedenfalls nicht zuständig. "Das kann keine kommunale Aufgabe sein, für diese Diskussion habe ich kein Verständnis", meint Birkenkamp. Außerdem könne sich die Stadt auch ganz gut alleine um die Jugendarbeit kümmern. Beispiel Pfarrheim Tiefenbroich: "Es kann nicht sein, dass sich Jugendliche in einem Keller aufhalten müssen. Da werden wir etwas Adäquates bauen."

Wenn die Sparwelle namens "Zukunft heute" demnächst über Ratingen gerollt ist, soll auch keine weitere folgen.

Zumindest vorerst, wie Dechant Markus Bosbach, einschränkt: "Das Programm gibt uns nur die Handlungsfähigkeit für einen überschaubaren Rahmen." Sollten die Gemeinden also weiter schrumpfen, müsste auch die Seelsorge wieder angepasst werden.

In Breitscheid sieht man das mit gemischten Gefühlen. Einerseits macht die Hilflosigkeit wütend. Schmitz: "Das Diktat von oben ist schon ärgerlich." Andererseits hat er Verständnis für den Sparkurs. Schließlich musste das Generalvikariat bis zu 50 Millionen Euro jährlich aus seinen Rücklagen aufbringen, um den Betrieb in der Fläche zu finanzieren.

Vor diesem Hintergrund schreckt den Kirchenvorstand aus Breitscheid nicht einmal die Aussicht, mit den Nachbargemeinden verschmolzen zu werden. Schmitz: "So lange die Kirchen vor Ort erhalten bleiben, merken die Mitglieder nicht einmal viel davon."